19.09.2014 – Folterinstrument der Neuzeit – Gewicht 77,7 kg (abzüglich des Gewichts des Fotoapparates)
Eigentlich könnte das Leben der modernen Frau im Jahr 2014 total super sein:
- Hexenverbrennungen und die Inquisition haben wir weit hinter uns gelassen.
- Wir dürfen inzwischen wählen und fast in der ganzen Welt Auto fahren.
- Zudem haben wir uns im Rahmen der Emanzipation die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau erkämpft, die wir natürlich gerne so auslegen, wie wir es gerade brauchen können.
- Wir können Prinzessin oder Hexe sein, ganz wie es uns beliebt.
- Wir verdienen unser eigenes gutes Geld und haben oftmals mehr Eier in der Hose, als so mancher Mann. Sorry Männer!
Die Frau von heute könnte also ganz entspannt und mit leckerer Schokolade in der Hand auf einem geblümten Sofa sitzen und das Leben einfach genießen.
Aber nein, wir lieben Frauen haben einen ganz neuen Feind, einen der unerbittlich die von uns so gerne verschwiegene Wahrheit ans Licht bringt:
Es ist die böse Personenwaage, der kleine gemeine Quälgeist, der in fast jedem Badezimmer steht und uns so oft um den Verstand bringt.
Die garstige Waage zeigt jeden Tag schonungslos die gewichtsmäßige Wirklichkeit an. Und das ganz hart in jede Richtung. Und es verhält sich fast so wie bei einem Autounfall, wo man, obwohl man es besser weiß, wie paralysiert hinstarrt, auch wenn der Anblick eigentlich grauenhaft ist.
Ich weiß, das Thema „Wiegen“ wurde in den letzten Wochen schon durch so einige Blogmühlen gedreht, aber auch ich möchte dir von meinem schrägen Verhältnis zu meiner Waage berichten.
Meine Waage muss ein superstarker Magnet sein. Und meine zarten Füße sind in Wirklichkeit Quadratlatschen aus Eisen, denn immer wenn ich ins Bad gehe, kann ich sofort den starken Sog spüren der von meiner Waage ausgeht. Häufig genug macht es einfach „flupp“ und schon stehe ich auf dem Foltergerät der Neuzeit drauf.
Das hat dann in der Regel nichts mit einer rationalen Entscheidung zu tun, sondern ich bin in diesem Moment getrieben von meinem Wunsch mein Gewicht zu kontrollieren und der Angst davor, ungewollte „schwere“ Überraschungen zu erleben.
Und täglich grüßt das Wiegetier…
Ich kann diesem täglichen Wiegereflex kaum etwas entgegen setzen. Als kleiner Wiegefreak brauche ich einfach diesen Kick den mir, zumindest seit ich abnehme, nur dieser kleine Schritt auf die Waage geben kann.
Schon wenn ich morgens im Bad das Korpus Delikti in seiner vollen Plexiglas-Pracht stehen sehe, ist es um mich geschehen und es zieht mich magisch zur Waage. Hemmungslos lasse ich dann alle stofflichen Hüllen fallen und mache nackt den Schritt, der für mich im Moment die Welt bedeutet.
Gerne mache ich diesen Schritt auch gleich mehrfach hintereinander. Und was soll ich dir sagen, ich habe eine so gemeine Waage, dass die mir im 10 Sekunden Takt total unterschiedliche Werte anzeigt. Und das, obwohl immer nur meine Wenigkeit naggisch auf der Waage steht.
Auf dem Bild siehst du meine Hobbit-Füße auf unserer Waage
Die Unterschiede betragen dann aus unerklärlichen Gründen bis zu 2 Kilo, was mich natürlich an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringt. Welcher Wert ist denn nun richtig? Soll ich mich freuen oder doch besser heulen? Ein Gefühlsbad im Badezimmer und das auf nüchternen Magen. Wahrscheinlich sollte ich das Ding einfach aus dem Fenster werfen und schon wäre Ruhe.
Jeder vernünftige Mensch sagt mir natürlich auch, dass es total blöd ist sich jeden Tag oder noch häufiger zu wiegen, und ich dies doch besser nur einmal pro Woche zu einer festen Tageszeit tun sollte.
Hätte, würde, sollte: Wenn der liebe Konjunktiv nicht wäre…
Das steht so auch in jedem beschissenen Ratgeber, von denen ich bestimmt ein gutes Dutzend gelesen habe. Nie wurde empfohlen sich jeden Tag, und dann am besten auch noch mehrfach durch die Waage terrorisieren zu lassen.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich die einzige Tröte bin, die diese Empfehlung nicht umgesetzt bekommt. Wahrscheinlich habe ich dumme Kuh einfach eine höchst masochistische Ader und quäle mich gerne.
Die Welt könnte so schön sein….. ohne Waage
Natürlich habe ich mir auch durch diese doofe Angewohnheit schon wirklich viele potentiell schöne Tage verdorben. Du kennst das vielleicht auch: Es hätte ein toller Tag werden können, doch dann stieg ich blöderweise auf die Waage:
+ XXX Gramm
P E N G, dass sitzt in dem Moment wie eine Ohrfeige und kann meine Laune dementsprechend schwer ramponieren.
Da dreht die Stimmung in Millisekunden mal eben von kuschelig warm auf eiskalt, und das völlig unabhängig von der Badezimmertemperatur.
Auch wenn ich weiß, dass Gewichtsschwankungen ganz normal sind, und diese von den unterschiedlichsten Faktoren, wie z.B. Mond, Zyklus und Schießmichtot herrühren können, macht es das für mich nicht wirklich leichter.
Du siehst, mein Verhältnis zu meiner Körperwaage ist wirklich ziemlich schräg. Aber ich habe nie behauptet, dass bei mir alles immer nur super ist.
Natürlich ist das eher eine ausgewachsene Kacke und ich übe mich wirklich darin, im Umgang mit meiner Gewichtskontrolle gelassener zu werden.
Wenn Gelassenheit ein Sport wäre könnte man denken, ich trainiere wie eine Irre für die nächste Olympiade. Nur ob ich in dieser Disziplin jemals über eine blecherne Auszeichnung hinaus kommen würde, da habe ich meine berechtigten Zweifel. Es entspricht einfach nicht meinem Naturell, gelassen und tiefenentspannt durch die Welt zu wandeln, so sehr ich mich auch darum bemühe.
Kleine Schritte nach vorne habe ich aber trotzdem gemacht. Inzwischen schaffe ich es wenigstens hin und wieder auf das Wiegen zu verzichten. Zumindest an Tagen an denen ich weiß, dass ich sowieso mehr gegessen habe und über Wassereinlagerungen mit mehr Gewicht zu rechnen habe. Da warte ich lieber 1-2 Tage bis das wieder verschwunden ist und wiege mich erst dann.
Aber von dem gut gemeinten Hinweis, sich wöchentlich zu wiegen oder gar nur ein Maßband zu verwenden, bin ich noch Lichtjahre entfernt. Wohl denen die das schaffen und dabei noch in sich ruhen.
Noch schlimmer: Längere Wiegeverweigerungsphasen sind bei mir unter Umständen ein Warnsignal und ein Zeichen, dass ich eine unterschwellig bereits wahrgenommene Gewichtssteigerung aktiv zu verdrängen versuche. Wenn spätestens nach 3 Tagen des nicht Wiegens kein zappeliges Wiegebedürfnis aufkommt, schrillen alle inneren Alarmglocken und ich muss mich dem Unvermeidbaren stellen.
Mein Körpergewicht stellt momentan meine verletzlichste Seite dar. Das gilt besonders, wenn irgendwas vermeintlich aus dem Ruder laufen könnte. Das Damoklesschwert des Versagens und des wieder Zunehmens schwebt immer über mir und das macht mir Angst.
Ich sage nur Kurzurlaub in Bad Bocklet „Peng + 1,7 kg“!
Es muss etwas passieren…
Um mehr in meine Mitte zu kommen – klingt das nicht total esoterisch? – habe ich mich entschieden im kommenden Spätherbst einen Entspannungskurs bei der Volkshochschule zu belegen. Ich wollte schon immer einmal, gemeinsam mit mir unbekannten Menschen, in einem staubigen Schulraum in Socken auf dem Boden herumrutschen.
Ich konnte sogar meinen lieben Mann dazu überreden mitzumachen. Wahrscheinlich hat er keine echte Vorstellung von dem, was ihn da erwartet. Tralalala. Was habe ich nur für ein Glück mit diesem tollen Kerl.
Dann hoffe ich mal, das dieser totale Einsatz hinterher auch wirklich etwas bringt, und ich demnächst bei einem Kilo mehr auf der Waage nur noch in ekstatische Gelassenheit verfalle.
Ooooooohhhm…..
Nach der Woche in Bad Bocklet, in der ich gewichtsmäßig kräftig zugelegt habe, war es mir richtig, richtig schwer gefallen, wieder die Kurve zu kriegen. Das vergangene Wochenende und der Wochenbeginn waren noch von einer Gefräßigkeit geprägt, die mich nachdenklich gemacht hat. Inzwischen habe ich mich aber gefangen und es geht wieder voran.
Blöderweise kam auch noch eine kleine Erkältung angeflogen, verbunden mit leichtem Halsweh und einem grippigen Gesamtgefühl. Dadurch war ich sportlich gesehen nicht voll auf der Höhe und habe mich in dieser Woche zu wenig bewegt.
Es ist total ätzend, dass ich im Moment gefühlt bei jeder Abkühlung des Wetters mit leichtem Halsweh reagiere. Ich frage mich schon, ob das vielleicht das Ergebnis meines zügigen Gewichtsverlustes ist. Ganz nach dem Motto:
„Tausche Fettpanzer gegen miserables Immunsystem“
Aber Hauptsache, heute trotzdem lecker gegessen:
Frühstück: Low Carb Müsli Schokotraum mit Himbeeren aus dem Garten
Mittagessen: keinen Hunger
Abendessen: Puten-Souvlaki mit Ofenmöhren und Spitzkohlsalat (Rezept kommt demnächst)
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende und versteck bloß schnell deine Waage.
Liebe Grüße
Betti