Diabetes Typ 2 mit Hilfe von Low Carb in die Schranken weisen funktioniert. Nicht nur bei mir…
Heute habe ich wieder einmal Besuch eingeladen. Ich möchte dir gerne Frank Linnhoff vorstellen, der in Südwestfrankreich an der Atlantikküste lebt.
Das klingt wunderbar malerisch und romantisch. Ich muss doch glatt einen kleinen Anflug von Neid unterdrücken.
Frank ist ein sehr kreativer Mensch und hat sich nach Beendigung des Berufslebens ganz dem naturnahen Leben mit Tanz, Gesang, Malen und Gestalten verschrieben. Ich finde es total klasse, wenn Menschen bei sich ankommen und ihren Traum leben. Glücksgefühle entstehen, wenn wir in uns selbst ruhen und unseren Geist mit schönen Erfahrungen füllen. Was ist da besser geeignet als kreativen Hobbies nachzugehen oder sich mit anregenden Menschen auszutauschen.
Wie schön, dass es zum Glück eigentlich nicht so schrecklich viel braucht…
Aber Glück hin oder her. Genau wie ich hat auch Frank Linnhoff Diabetes Typ 2. Krankheiten sind nie gerecht, und so ist auch niemand davor gefeit. Frank und ich haben sogar noch weitere Gemeinsamkeiten, denn auch er hat seiner Krankheit mit Hilfe der kohlenhydratreduzierten Ernährung die rote Karte gezeigt.
Grund genug ihn einzuladen, damit er uns berichtet, wie er die Diabetes Erkrankung in die Flucht geschlagen hat.
Lieber Frank, ich danke dir, dass du heute bei Happy Carb zu Besuch bist. Du gehörst genau wie ich auch zu den „Süßen“, also den Diabetikern. Wann und in welchem Zusammenhang wurde die Diabetes Typ 2 Erkrankung bei dir entdeckt? Wie alt warst du eigentlich?
Ich hatte mich im Januar 2015 bei einem Endokrinologen angemeldet, weil ich mich elendig fühlte und mehrere Symptome für Diabetes sprachen. Die Blutanalyse, welche ich vom Labor erhielt, war eindeutig. Nüchtern-Blutzuckerwert 440 mg/dL und HbA1c-Wert 13,7 %. Diabetes Typ 2! Einige Monate zuvor hatte ich meinen 67. Geburtstag.
Oh, deine Diagnose ist genau wie bei mir noch nicht so lange her. Was waren deine Gefühle, als du gehört hast, dass du nun Diabetiker bist?
Als ich den Brief des Labors geöffnet hatte und die Werte las, wurde mir schwindelig vor Augen und ich musste mich erst einmal hinlegen. Es war ein Schock.
Kennst du aus deinem persönlichen Umfeld Diabetiker und wie hast du die Krankheit in deinem Umfeld erlebt. Als harmloses Zuckerle oder als eher bedrohliche Krankheit?
Ich stamme aus einer Diabetikerfamilie. Mein Großvater hatte Alterszucker -so nannte man diese Krankheit in den 1950er Jahren-, ebenso mein Vater und mein schon verstorbener jüngerer Bruder. Meinem Bruder war schon mit 45 Jahren ein Bein amputiert worden und die Amputation des zweiten Beines war vorgesehen. Es kam nur nicht dazu, weil er vorher an einer Lungenentzündung starb. Mein Vater litt an starken Durchblutungsstörungen in den Beinen und an Herzschwäche. Nein, als harmlos hatte ich Diabetes nie betrachtet.
Hast du eine Diabetes Schulung besucht und was waren dort deine Eindrücke?
Nein, ich habe keine Diabetes Schulung besucht. Dazu kam es erst gar nicht. Ich hatte auch die Therapie meines Endokrinologen, der mich sofort per Insulin behandeln wollte, abgelehnt. In schwierigen Lebenssituationen habe ich immer auf dieselbe Weise reagiert. Auch diesmal wollte ich den Dingen auf den Grund gehen und mir eine eigene Meinung bilden. Dank Internet ist dies heute jederzeit möglich. Ich bin froh, dass ich sofort nach Erhalt der Diagnose begann, mich über die tiefen Ursachen von Typ-2-Diabetes schlau zu machen.
Wie bist du auf die grandiose Idee gekommen die Kohlenhydrate zu reduzieren?
Auslöser war das Buch „Leben ohne Brot“ von Dr. Wolfgang Lutz, welches ich als PDF-Dokument sehr schnell entdeckt hatte. Was ich da las, überzeugte mich derart, dass ich schon am nächsten Tag meine Ernährungsweise radikal auf kohlenhydratarm und fettreich umstellte.
Du hast dich für die Low-Carb-Variante LCHF (Low Carb High Fat) entschieden. Warum ausgerechnet LCHF?
Das kam eigentlich ganz natürlich. Ich hatte mir ein Blutzucker-Messgerät in der Apotheke gekauft und während etwa zwei Wochen die Blutzuckerwerte nach jeder Mahlzeit gemessen. Schon sehr schnell war mir klar, dass eine ketogene Ernährung für mich genau das Richtige ist. Die ersten Tage der Umstellung waren etwas schwierig. Eine weniger abrupte Ernährungsumstellung wäre vielleicht leichter gewesen. Doch ich wollte unbedingt sofort Erfolge sehen. Schon nach wenigen Tagen waren die Blutzuckerwerte im akzeptablen Bereich, immer unter 150 mg/dL. Mein Endokrinologe glaubte, dass mein Blutzucker-Messgerät falsche Werte anzeige und überprüfte sie mit seinem Gerät. Schon 3 Monate nach der Erstdiagnose war mein HbA1c-Wert auf 7% gesunken, nach einem halben Jahr auf 6,5%.
Wie war deine Gewichtsklasse bei der Diagnose der Erkrankung. Was hat sich auf der Waage und natürlich bei deinen Blutzuckerwerten getan? Wo stehst du heute gesundheitlich?
Am Tag der Diabetesdiagnose wog ich 110 kg. Nach der Umstellung auf LCHF nahm ich 3 Monate lang zu auf 115 kg und erst nach 6 Monaten, langsam aber stetig ab. Zu Beginn hatte sich mein Bauchumfang um etwa 20 cm verringert, obwohl ich 5 kg zugenommen hatte. Heute wiege ich etwas über 100 kg, Tendenz immer noch fallend. Ich sehe meinen Endokrinologen alle 3 Monate und jedesmal ist der Langzeit-Blutzuckerwert etwas besser als vorher. Bei der letzten Analyse sogar bei unter 6%. Von 13,7 % auf unter 6% ohne jedes Medikament, was will man mehr? Mein Blutdruck hat sich normalisiert, die Blutfettwerte sind gut, viele andere Zipperlein sind verschwunden, Lebensfreude und Lebenskraft kamen zurück. Ich fühle mich nicht krank.
Erlebst du deine Umstellung der Ernährung als Einschränkung? Was futterst du so? Wie sieht dein perfekter LCHF-Tag kulinarisch aus? Was ist dein Speiseplan?
Glücklicherweise hatte ich nie Süßspeisen gegessen. Süßes, Kuchen und Gebäck hatten mir nie viel bedeutet. Auch auf Brot, Kartoffeln und Nudeln konnte ich gut verzichten. Ich benutze auch keinen Süßstoff.
Seit einem halben Jahr habe ich morgens keinen Appetit mehr und trinke nur eine große Tasse Kaffee zum Frühstück. Oft esse ich nur einmal täglich, weil ich einfach keinen Appetit habe. Mittags mache ich mir sehr oft eine Tajine. Das ist eine Mischung aus frischen Gemüsen mit Fleisch oder Fisch in viel Butter mit würzigen Kräutern in einem Keramiktopf geköchelt. Das Prinzip stammt aus der marokkanischen Küche. Nach Rezept koche ich nie. Das ist mir zu kompliziert. Am frühen Abend esse ich meist den Rest vom Mittagessen und trinke einen Schoppen Rotwein zu einer Ecke Käse. Einen Speiseplan habe ich eigentlich nicht. Ich kaufe meine Lebensmittel fast alle frisch auf dem Markt und bastle mir etwas daraus zusammen. Kochen nimmt bei mir sehr wenig Zeit in Anspruch. Mein Lieblingsgericht Tajine köchelt 40-45 Minuten lang vor sich hin, die Vorbereitung braucht vielleicht 10 Minuten. Man braucht nur einen Topf aus Keramik. Da ist nicht viel zu Spülen.
Nun lebe ich glücklicherweise direkt an der Atlantikküste in Südwestfrankreich, wo ich das ganze Jahr über eine großartige Auswahl von frischen Lebensmitteln auf dem Markt finde. Im Supermarkt kaufe ich schon lange nicht mehr ein. Dieser ganze verpackte Kram interessiert mich nicht. Auf dem Markt kaufe ich Rohmilchbutter und -käse, den Fisch direkt am Stand des örtlichen Fischers, das Fleisch auf dem Stand der lokalen „vereinten Tierzüchter“, die Eier direkt beim Erzeuger, dessen Hühner frei herumlaufen. Die Qualität der Lebensmittel ist hier ganz einfach umwerfend gut. Kein Vergleich zu den Lebensmitteln meiner alten Heimat in Westfalen.
Wie reagieren Menschen in deinem Umfeld auf deine neue Ernährungsweise? Hält man dich für einen Freak, oder einen Irren, der sich mit Fett selbst umbringt?
Da gibt es schon bizarre Reaktionen. Im vergangenen Jahr hatte ich mit einer Freundin an einem gallischen Festgelage teilgenommen, wobei wir Gäste uns nach Art von Asterix und Obelix verkleidet hatten. Da gab es richtig fetten Schweinebauch mit Sauerkraut. Alle Teilnehmer und besonders Teilnehmerinnen schnitten schön das Fett ab und legten es auf die Seite. Ich tat das Gegenteil und verspeiste mit Genuss auch das wunderbare Bauchfett von der Portion meiner Freundin. Da konnte sich eine Mutter von vielleicht 35 Jahren, die mir schräg gegenüber saß, nicht mehr zurückhalten und schrie mich an: „Dies viele Fett!
Können Sie sich nicht zurückhalten? Es sind schließlich Kinder am Tisch.“ Tatsächlich saßen ihre zwei kleinen Mädchen neben ihr, welche sich gerade löffelweise Nutella einverleibten. Eine absurde Situation.
Du hast mit deiner Umstellung auf weniger Kohlenhydrate genau wie ich einen tollen Erfolg erzielt. Glückwunsch dazu. Bist du schon mit andere Diabetikern ins Gespräch gekommen und hast versucht die Low Carb Werbetrommel zu rühren? Wie sind da deine Erfahrungen? Ablehnung oder Neugier? Ist die Zeit reif für ein Umdenken von Patienten und Ärzten?
In meiner Altersgruppe gibt es erschreckend viele Diabetiker. Und natürlich spricht man untereinander darüber. Leider ist unter meinen diabetischen Bekannten nicht ein einziger, welcher sich ein Leben ohne Brot, Nudeln, Kartoffeln und Süßspeisen vorstellen konnte. Fettreich gilt immer noch als Synonym für ungesund. Man folgt doch lieber den Anweisungen des Arztes, als den Ansichten eines Laien. Einer meiner diabetischen Altersgenossen war kürzlich bei 28 verschiedenen Pillen täglich zusätzlich zu seinen Insulinspritzen angekommen, bevor er zusammenbrach. Er war stolz darauf, dass sein Pillenkonsum in einer speziellen Reha-Kur auf 21 Stück täglich reduziert werden konnte.
Nicht reduziert wurde sein Konsum an Zucker und Stärke. Ich habe leider nicht den Eindruck, dass die Ärzteschaft bereit ist, ihre bestehenden Glaubenssätze in Frage zu stellen. Die hierarchische Ordnung der ärztlichen Standesorganisationen sorgt dafür, dass da kaum jemand wagt, aus der Reihe zu tanzen. Kohlenhydratarm zu essen wird in der Regel schon akzeptiert, doch wenn es darum geht stattdessen mehr Fett zu essen, stoße ich fast immer auf starke Ablehnung. Die Gehirnwäsche der vergangenen 50 Jahre hat bestens funktioniert.
Wo wir gerade dabei sind. Was sagt eigentlich dein eigener Arzt zu deinem Erfolg und zu dem, was du da auf dem Teller treibst?
Ihm ist die ganze Sache ein wenig unbehaglich. Einerseits freut er sich offensichtlich über meine gesundheitliche Entwicklung, andererseits meinte er vor kurzem tatsächlich, dass ich nur so weiter machen solle mit der ketogenen Diät, wenn ich bald nicht mehr unter den Lebenden weilen wolle. Diese Ernährung sei lebensgefährlich. Was soll man dazu sagen? Am besten gar nichts.
Wo wir Diabetiker gerade unter uns sind. Kein Gespräch über Diabetes ohne nach dem Langzeitwert zu fragen. Butter bei die Fische. Wie hoch war der letzte HbA1c?
Der letzte HbA1c war 5,8%.
Und das ganz ohne Insulin, Metformin und wie die Medikamente alle heißen? Da sage ich wieder mal nur: Unsere Nahrungsmittel sollten Heil-, unsere Heilmittel Nahrungsmittel sein (Hippokrates).
Metformin hatte ich nicht vertragen und musste es absetzen. Nein, ich nehme keine Medikamente und quäle mich auch nicht mit Sport ab. Doch tanze, singe und radle ich gern. Ansonsten fröhne ich dem kreativen Müßiggang.
Du lebst in Südfrankreich. Gerade versuche ich den Neid zu unterdrücken. Was machen die Franzosen auf dem Teller besser als wir Deutschen und hat Low Carb in Frankreich eigentlich eine Fanbase? Im Mutterland von Baguette und Croissants.
Typ-2-Diabetes ist hier, nordwestlich von Bordeaux, sehr viel weniger häufig als in meiner alten Heimat Westfalen. Die meisten Menschen meiner Altersgruppe essen hier auf traditionelle Art. Das heißt viel Fett, viele Gemüse, wenig Süßspeisen, oft kein Frühstück, keine Zwischenmahlzeiten. Man benutzt Brot in der Hauptsache, um Essensbrocken auf die Gabel zu schieben und Soßen aufzusaugen. Man konsumiert sehr viel weniger Zucker als in Deutschland. Der Ausdruck „Low Carb“ ist hier kaum bekannt. Es gibt nur einen LCHF-Blog in Frankreich. Und den schreibt eine junge Schwedin. Die ältere Generation ernährt sich von selbstgemachten Gerichten. Die jüngere Generation, besonders in den Städten, ernährt sich fettarm und zählt Kalorien, isst mittags zumeist in Kantinen und wärmt sich abends ein Fertiggericht auf. Das „gute Essen“ bleibt auf das Wochenende beschränkt. Auch hier ist die Diabetesepidemie im Vormarsch, wenn auch lange nicht so ausgeprägt wie in Deutschland. Die offiziellen Ernährungsratschläge für Diabetiker sind identisch mit denen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, kohlenhydratreich und fettarm.
Ach, es war schön mit dir zu plaudern. Eine letzte Frage habe ich noch. Träumst du von irgendwelchem Essen, was du heute nicht mehr essen „darfst“? Anders gefragt, hat sich der Tausch von mehr Lebensqualität, Vitalität und Gesundheit gegen einige langweilige Kohlenhyrate für dich gelohnt und du würdest nichts anders machen?
Nein, überhaupt nicht. Meine Lieblingsspeisen sind Meeresfrüchte. Die gibt es hier das ganze Jahr über frisch aus dem Atlantik. Traditionell isst man sie mit viel selbstgemachtem Aioli, das ist Mayonnaise mit Knoblauch, und Butter. Das passt doch bestens zu LCHF. Schade, dass ich die LCHF-Ernährungsweise erst so spät in meinem Leben entdeckt habe und dem Rat meiner verschiedenen Ärzte, mich sehr fettarm zu ernähren, so lange gefolgt war.
Das klingt super, lieber Frank. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich auch nichts anderes erwartet. Ich danke dir sehr für das nette Gespräch und deine ehrlichen Antworten.
Für mich ist der Austausch mit anderen Diabetikern, die ebenfalls Low Carb leben sehr wichtig. Schließlich bin ich kein Einzelfall und auch mein Erfolg ist kein Zufallsprodukt, sondern ganz logisches Einmaleins des Stoffwechsels.
Schade, dass viele Diabetiker so wenig offen sind, was die kohlenhydratreduzierte Ernährung angeht. Umso wichtiger ist, dass gute Beispiele, wie Frank und ich es sind, kräftig die Werbetrommel rühren. Genau deshalb habe ich mein Buch „Diabetes Typ 2 – nicht mit mir!“ schließlich auch geschrieben.
Wenn du mehr von Frank Linnhoff lesen möchtest, dann kannst du das gerne tun. Er schreibt ebenfalls einen wunderbaren Blog „zuckerkrankwasnun.blogspot.de“ über sein Leben mit der Diabetes Erkrankung. Immer dabei ein wenig französische Lebensart und ganz viel Informationen rund um das Thema Diabetes. Du kennst in deinem persönlichen Umfeld Diabetiker, dann gib den Link zu dem Beitrag bitte weiter. Gemeinsam können wir es schaffen, dass Low Carb bei Diabetikern bekannter wird und mehr Akzeptanz erfährt.
Trommel einfach ganz laut mit…