Zack, es ist passiert: Ich bin seit heute 50 Jahre alt!
Gestern leg ich mich mit 49 Jahren ins Bett und wache heute auf, und bin 50. Peng! Wie krass, hätte ich das geahnt, ich wäre wach geblieben und so dem gigantischen Alterssprung geschickt ausgewichen.
Aber ernsthaft, jetzt bin ich also ein real Fuffi und damit irgendwie alt. Zumindest so ein bisschen näher, bin jetzt ich an ALT dran, und das fühlt sich surreal an. Es gibt da eine deutliche Diskrepanz zwischen meinem gefühlten Alter und der Zahl, die seit heute offiziell aufgerufen wird.
Ich gehe sehr stark davon aus, dass sich mein lieber Mann vor 20 Jahren nicht erträumt hat, mit einer 50-jährigen Frau im Bett zu liegen. Und jetzt ist es tatsächlich passiert und er ist mit einer alten Schachtel aufgewacht.
Ich nenne mich mal lieber wie in bestem Marketingdeutsch «Best-Ager», oder klingt das zu sehr nach Corega-Tabs und Treppenlift? Rieche ich vielleicht schon nach Opa, und merke es bloß selbst nicht? Die 50 hat auch etwas Beängstigendes, findest du nicht auch?
Stopp, keine Panik, denn eigentlich ist nicht großartig was passiert.
Ufff, ich bin immer noch die gleiche verrückte Nudel wie gestern und nicht schlagartig über Nacht weggeschimmelt.
Juchuuuu…
Daran, dass Körperteile sich ungefragt in ungewöhnliche Richtungen bewegen, habe ich mich schon eine ganze Weile gewöhnt. Auch die Erkenntnis, dass es haarige Probleme, jenseits der Beine, Achseln und des Schrittes, gibt, ist mir nicht neu. Gut, auf einen Bartwuchs wie Gandalf, war ich nicht direkt vorbereitet, aber das sind alles Luxusprobleme, die ich mit Humor nehme.
Mit positiver Einstellung zu altern, ist nicht nur easy, denn da zwickt und zwackt schon mal was, auch wenn wir heute anders alt werden, also noch die Generationen zuvor. Und doch merke ich inzwischen deutlich, dass schon nach einer nur halb durchfeierten Nacht die Regenerationszeit wesentlich länger geworden ist und überhaupt, Pausen und ausreichend Schlaf, eine dringlichere Note bekommen haben, als das früher der Fall war. Bestimmte Dinge steckt man einfach nicht mehr so locker weg, wie mit 25. Was aber nicht schlecht ist, denn Nichtstun und Müßiggang tun schließlich der Seele gut, zumindest meiner.
Nur sichtbar altern, darf scheinbar nicht sein…
Eine Sache nervt, denn ständig umkreist einen dieser allgegenwärtige Jugendwahn. Ich weiß schon, weshalb ich mich selbst nicht auf Instagram rumtreibe und keine Klatschzeitungen mehr lese. Es wurde mir irgendwann einfach zu doof. Da wird gephotoshoped, dass die Schwarte kracht, und wenn Jane Fonda auf Werbefotos für eine Wunderhautcreme aussieht, als wäre sie gerade frisch aus einem Ei geschlüpft, dann ist das eher skurril und stellt wahrscheinlich eine sehr verzerrte Wirklichkeit dar. Da wird gepinselt, gebotoxt und operiert, und all diese Energie und das ganze Geld, könnte doch für sehr viel bessere Dinge eingesetzt werden. Der Krieg gegen das Alter wird sowieso nicht gewonnen und blöderweise hat der fiese Vergrößerungsspiegel im heimischen Bad keine Filter und kein Photoshop eingebaut. Die Grenzen dessen, was an ewiger Jugend mit kleinem Geld, so ganz ohne Skalpell, zu erkaufen geht, wird für Durchschnittsfrauen wie mich, im grellen Lichterschein, gespiegelt von den Badfliesen, schonungslos sichtbar.
Der Frust ist vorprogrammiert und der Spaß am Leben geht flöten, wenn man für sich nicht akzeptiert, dass das Alter zum Leben gehört und das auch sichtbar ist. Wichtig ist doch, was hinter der Fassade steckt und nicht, ob das Gemäuer schon ein paar Risse hat.
Vergangene Woche sagte mir noch eine Bekannte, als ich ihr sagte, dass ich 50 werde, dass sie mich als «alterslos» empfindet und konnte kaum glauben, dass ich nun ein Fuffi werde/bin. Das liegt aber sicher nicht, an nicht vorhanden grauen Strähnen, die sich immer häufiger unter mein brünettes Haar mogeln, sondern, dass Alter viel mit Ausstrahlung zu tun hat, und die kommt nun mal von innen. Offen bleiben für die bunte und spannende Welt, sich vielfältig beschäftigen und interessieren, und ganz wichtig, sich selbst nicht so ernst nehmen, denn Lachen hält jung. Vielleicht hat ja auch meine gute Ernährung dazu beigetragen, dass ich jünger wirke und Happy Carb ist in Wirklichkeit ein essbarer Jungbrunnen.
Oh mein Gott, vielleicht werde ich ja doch noch reich und bin die Vermarktung nur vollkommen falsch angegangen.
Jetzt gehts richtig los und alles darf frei raus!
Wie toll, ab einem gewissen Alter, darf man angeblich alles aussprechen, was einem in den Kopf schießt und niemand nimmt einem mehr was krumm. Altersradikalität nennt sich das im Volksmund und ist wahrscheinlich ein tolerierter Zustand, so kurz vor der drohenden Altersdebilität. Entschuldigung, aber Altersradikalität hatte ich, glaube ich zumindest, schon mit 12 Jahren und war scheinbar damals schon grottenalt. Kindermund tut Wahrheit kund. Bloß stecken wir uns dann irgendwann einen Stock in den Allerwertesten und halten danach leider viel zu oft unsere Klappe im Leben.
Mir hat auch über Nacht niemand das Hirn auf alt getrimmt. Wie beruhigend! Mir gefallen immer noch die gleichen Dinge, wie vor 30 Jahren. Ich bevorzuge es bunt, und mit Paisley-Muster konntest du mich damals und heute jagen. Ich mag wild gestreift, gepunktet, geblümt und kariert und sollte ich jemals in einem Sarg landen, so möge der bitte verrückt gemustert sein. Die Musik darf heute auch noch rockig, groovig oder gemein jammernd sein und selbst essen, tue ich die gleichen Sachen gerne wie damals, wenn auch heute kohlenhydratarm frisiert. Ich mochte Bolognese im Alter von 12 und mag die mit 50 Jahren immer noch.
Was erinnere ich mich noch gut daran, als ich frühreifes Früchtchen von 13 Jahren, mit einem quälend eiernden Walkmann, fröhlich den folgenden Song geträllert habe: UKW – Ich will.
Und wie oft stürmte ich in der Disco die Tanzfläche um zu Laura Branigan – Self Control zu tanzen, rockte zu Guns N´roses – Sweet Child of mine, nur um dann später bei Sinéad O`Connor – Nothing compares to you in Tränen zu zerfließen. Schön war´s und ich wollte keinen Moment meiner Erinnerungen missen.
Was gut ist, bleibt eben auch gut. Punkt!
Insgesamt stelle ich fest, dass ich in der Vergangenheit, bei den grundlegenden Weichen für mein Leben, meistens gute Entscheidungen getroffen habe, die ich für mich in all den Jahren nie bereut habe und heute immer wieder so treffen würde. Wenn es um die Wurst ging, wusste ich schon damals, dass ich auf mich schauen muss und nicht auf das, was Gesellschaft, Familie oder sonst wer vielleicht von mir erwartet.
Nein, mit 50 bekommt das Leben mehr Qualität und mehr Raum. Ich muss nicht mehr jeden Scheiß mitmachen, kann die Modetrends gelassen an mir vorbeitrudeln lassen und Gedanken um ein weiteres Studium und Co, weicht dem Wissen, dass selbst beigebracht manchmal mehr wert ist, als uniform in den Kopf getrommelt. Jugendliche Befruchtungstänze lasse ich heute sein, ab sofort wird nur noch für die Freude am Spaß getanzt.
Ich bin im Aquarium des Lebens immer gerne munter hin und hergeschwommen und habe je nach Bedarf die Rolle des Seepferdchens oder eines Piranhas eingenommen. Daran hat sich über Nacht nichts geändert. Dank des Meno-Hormonchaos kann sich so ein Wechsel jetzt sogar in Millisekunden vollziehen. Damit umgibt mich mit 50 eine gewisse Aura der Gefährlichkeit, auch wenn das scheinbar sonst leider niemand merkt oder interessiert. Aber aus den vorhandenen Gegebenheiten, selbst wenn sie widrig sind, immer das Bestmögliche machen und sich nicht unterkriegen lassen, war stets meine innere Haltung. Das ist nicht immer einfach, denn ich kenne die unerfreulichen Tage, die am Ende als herbe Niederlage in die Erinnerung eingehen und ich kenne den süßen Geschmack des Sieges, der jedoch auch nur einen flüchtigen Moment darstellt und nicht dauerhaft glücksspendend ist.
Vielleicht tue ich mich deshalb aktuell in Deutschland mit der nervigen Kultur des Dauermeckerns und Dauerjammers so schwer. Immer sind andere Schuld. Klar, läuft im Leben nicht immer alles so, wie man das gerne hätte. Geht mir nicht anders und es hat mich in den vergangenen 50 Jahren mehr als einmal kräftig durchgeschüttelt. Aber schlimmer geht immer und hinfallen gehört zum Leben. Nur wer nichts tut, macht keine Fehler. Aufrappeln, Schmutz abklopfen und wieder mit Schwung der Nase nach. Und wenn mal kein Wind geht, dann muss gerudert werden. Von nichts kommt nichts, gilt früher wie heute.
Und jetzt, im 3 Lebensabschnitt, komme ich so richtig!
Ich war schon immer irgendwie etwas eigen, und jetzt mit 50, werde ich noch eigener. Yippie! Und wie praktisch, denn die schwindenden Hormone helfen ordentlich mit, den eigentlich unbeliebten Wechseljahren sei Dank. Weniger kuscheliges Mamaöstrogen durchströmt meinen Körper und während sich der Hormonnebel so langsam lichtet, wird klarer, dass da jenseits der 50 noch ganz viel Power steckt und tolle Erlebnisse warten, die das Leben schön machen.
Mit 50 Jahren und dem realistischen Blick, dass schon etwa 2/3 der Sanduhr des Lebens durchgerieselt sind, verschieben sich die Prioritäten. Da weiß man, dass das Leben zerbrechlich ist und jederzeit einen Eimer Scheiße über einem auskippen kann. Mit 50 hat man liebe Freunde zu Grabe getragen oder sieht Menschen an schweren Krankheiten leiden. Die Leichtigkeit der Jugend ist weg – wobei ich selbst die eigentlich nie hatte – und das Wissen, dass wir nicht unverletzlich sind und nichts im Leben von Dauer ist, macht manchmal melancholisch, aber schützt bei ausreichender Intelligenz auch davor, sich selbst einen dämlichen Aluhut aufzusetzen.
Mit Demut und Dankbarkeit, immer gelassen und fröhlich, mit ganz viel Liebe für die Mitmenschen im Gepäck, das einfache Leben leben und genießen. Auf die leisen Zwischentöne achten und die schönen Kleinigkeiten wahrnehmen, die uns im täglichen Hamsterrad viel zu oft verloren gehen.
Aber sich eben auch nicht von Dödeln ärgern lassen, die zuhauf durch die Lande tingeln. Die Qualität mit etwas mehr Jahren auf dem Buckel ist, dass sichtbarer wird, worauf es wirklich ankommt. Der Mut ist heute da, Menschen oder Umstände, die mir nicht guttun, egal ob privat oder geschäftlich, konsequent aus meinem Leben zu verbannen. Keine Kompromisse mehr, die einen langfristigen Würgereiz hinterlassen. Für geistlose Menschen, auch als Pfeifen berühmt berüchtigt, ist mir meine restliche Lebenszeit, einfach zu kurz. Ich habe nichts mehr zu verschwenden und mache mir meine Welt, wie sie mir gefällt.
Mit 50 muss ich es auch niemandem Recht machen, außer mir selbst. Am Ende bereuen wir wohl sowieso mehr die Dinge, die wir nie gemacht, sondern von denen wir ein Leben lang nur geträumt haben.
Man kann ein Leben nämlich auch verträumen und am Ende ist es traurig vorbei.
Ich habe noch den einen oder anderen Traum, die ich mir in den nächsten Jahren erfüllen werde. Ein Buch schreiben, wo mal nicht gekocht wird, und eine tolle Reise in meine Lieblingsstadt New York, stehen da ganz oben auf der Liste. Für die Erfüllung meiner Wünsche bin ich selber zuständig, denn das ist die ureigene Verantwortung, die wir alle uns selbst gegenüber haben. Wir haben nur dieses Leben, also lass es uns nutzen. Es kommt keine gute Fee und rettet uns. Also, mach es dir selbst und warte nicht zu lang!
Bitte denk daran, dass du, egal ob du 20, 30, 40, 50, 60 oder 70 Jahre auf dem Buckel hast, immer fabelhaft bist, mit allen liebenswerten Macken, die uns nun mal ausmachen. Leb dein Leben so, wie es dich glücklich macht, dann ist älter werden, einfach nur ein ganz normaler Teil eines erfüllten Lebens und keine deprimierende Entwicklung. Der 50. Geburtstag ist eine gute Gelegenheit, sich an all das zu erinnern, denn der Alltag ist ein gemeiner Räuber, der uns immer wieder viel zu weit von dem wegtreibt, worauf es ankommt.
In diesem Sinne mache ich mir heute einen extraschönen Tag, und zwar ganz so, wie es mir (und natürlich meinem lieben Mann) gefällt.