War ich als Dicke unsichtbar?

War ich als Dicke unsichtbar?

07.08.2014 – War ich als Dicke unsichtbar? – Gewicht 79,4kg

Seit ich massiv an Gewicht verloren habe, nehme ich deutliche Veränderungen meiner Umwelt wahr. Diese gefühlt neue Aufmerksamkeit die ich erhalte, geht auch über das positive Feedback wegen meiner Gewichtsabnahme hinaus. Beim Einkaufen lächeln mich Menschen freundlich an, Verkäuferinnen beginnen ein Gespräch mit mir, Leute die ich nie gesehen habe sprechen mich an und meinen mich zu kennen. Alles irgendwie total merkwürdig und ungewohnt und ich habe angefangen darüber nachzudenken und die Veränderung bewusst zu realisieren.

Wie war die Situation als ich noch die dicke Frau war?

Eigentlich war ich unsichtbar, d.h. Menschen haben mich in der Regel ignoriert und haben so getan, als würde es mich nicht geben. Gerne wurde ich übersehen oder alte Bekannte taten so, als würden sie mich nicht kennen. Dick sein hatte manchmal fast etwas, als wäre ich eine Aussätzige, als hätte ich die Pest oder noch schlimmer, als wäre fett werden ansteckend und Fettzellen könnten springen.

Angestarrt zu werden oder hinter sich im Rücken Kommentare zu hören wie, „wie konnte die sich nur so Fett fressen“, gehörten leider zu meinem Alltag und das kratzt dann irgendwann auch am stärksten Ego. Von daher war meine Devise Rückzug, um mir all diese beschämenden Erlebnisse zu ersparen. So gut das im Privaten funktioniert hat, umso schwieriger war das im beruflichen Bereich. Als Personalleiterin hatte ich eine exponierte Rolle im Unternehmen und hatte auch da oft das Gefühl, dass man es lieber gesehen hätte, wenn ich handlich und adrett gewesen wäre und im Kostümchen meine Arbeit erledigt hätte.

Ich erledigte meinen Job trotz meiner Ausmaße immer engagiert und ich hoffe auch kompetent, dass zumindest am Arbeitsplatz keine direkte Diskriminierung stattgefunden hat. Ich hatte in meinen jeweiligen direkten Vorgesetzten auch immer Menschen, die meine Fähigkeiten zu schätzen wussten, jenseits der Körperfülle. Lediglich meine Neigung, gerne übergewichtigen Bewerber/innen eine Chance im Berufsleben zu geben wurde mal so interpretiert, dass ich wohl nach „Gewichtsklassen“ einstellen würde.

Aber Stopp, Dicke haben aus unterschiedlichen Gründen Probleme mit dem Gewicht und sind nicht doof und nicht taub, auch wenn Taubheit hin und wieder von Vorteil gewesen wäre.

Die diskriminierende Geisteshaltung, dass Dicke disziplinlos, faul und dumm sind, ist leider weit verbreitet und führt insbesondere in der Arbeitswelt, aber auch im alltäglichen Leben zu regelmäßigen Benachteiligungen von dicken Menschen. Keiner mag das offen zugeben, weil wir ja alle so korrekt und tolerant sind, aber Wunsch und Wirklichkeit verlaufen da, so zumindest meine Meinung, wie so oft auf 2 Straßen, die sich nie begegnen.

Diskriminierung in der Praxis

Einen Höhepunkt habe ich vor einigen Jahren erlebt, als ich mich bei einem amerikanischen Unternehmen als Personalreferentin beworben hatte und einem total arroganten Personalleiter gegenüber saß, der dann die Frechheit besaß mir mitzuteilen, dass ich „optisch nicht in das Unternehmen passen würde“. Mir ist schon viel passiert, aber mir das direkt und frech ins Gesicht zu sagen fand ich schockierend und unverschämt.

Wie gut, dass ich mit einer gewissen Schlagfertigkeit ausgestattet bin und ich diesen unangenehmen Menschen gefragt habe, ob die Damen hier im Büro auch arbeiten würden, oder ob hier nur auf dem Flur auf und ab gelaufen wird. Dann bin ich aufgestanden, habe meine Handtasche geschnappt und bin gegangen. Mit der Stelle hat das dann natürlich nicht geklappt, worüber ich verständlicherweise nicht unglücklich war.

Dicke im erotisches Niemandsland

Als dicke Frau ist man ein Neutrum. Maximal als Kumpel akzeptabel, ist eine fette Frau eher ein Alien, als eine Sexbombe. Ich wundere mich dabei immer wieder, wenn ich dickbäuchige Männer höre, die fies über leicht übergewichtige Frauen lästern. So sehr das Selbstbewusstsein einer Frau mit Übergewicht aus der Bahn gerät, scheint doch ein Mann mit dickem Bauch eher an Selbstbewusstsein zu gewinnen, auch wenn der seinen kleinen besten Freund unter Umständen schon lange nicht mehr sehen kann.

Das ist natürlich etwas sehr pauschal und ich bin sicher, dass die Welt da draußen natürlich voller politisch korrekter Männer ist, die eine Frau nie nach ihrem Äußeren, sondern immer nach den inneren Werten beurteilen würde. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann…..

Also, Dicke sind trotz ihrer Masse in der Gesellschaft irgendwie unsichtbar, werden durch Ignoranz und Vorurteile unsichtbar gemacht und machen sich teilweise selbst unsichtbar, weil sie sich dafür schämen, dass es so ist wie es ist.

Mit 50kg weniger Gewicht werde ich wieder wahrgenommen. Egal, ob es an meiner anderen Ausstrahlung liegt oder ob jetzt mit mir gesehen zu werden nicht mehr peinlich ist, es ärgert mich, denn ich bin ja immer noch der gleiche Mensch, nur eben etwas weniger.

Meine Bitte ist deshalb, beachtet dicke Menschen mehr und gönnt auch ihnen mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung. Die menschlichen Bedürfnisse sind trotz oder gerade wegen des Fettpanzers wie bei jedem Menschen vorhanden und es gibt keinen Grund damit sparsam umzugehen.

Lächle einen Menschen an und es kommt ein Lächeln zurück, egal ob dick oder dünn.

Es geht voran…..

Ich habe diese Woche gewichtsmäßig eine neue Hürde genommen. Die 80 Kilo Marke ist unterschritten. Ich freu mich wie Bolle darüber, weil gerade diese 10er Grenzen immer unheimlich schwer zu überwinden sind. Keine Ahnung, wann ich letztmalig eine 7x,x auf der Waage gesehen habe, aber ich habe es gepackt. Auch wenn der Weg immer noch weit ist, motiviert mich der Erfolg dranzubleiben und um mein Wunschgewicht und um meine Gesundheit zu kämpfen.

Schmecken lassen habe ich es mir heute auch:

Frühstück: Honigmelone und Himbeeren mit 150gr. geräuchertem Lachs

Mittagessen: 250g. Quark 20%, 2 Essl. Kokoschips, Heidelbeeren

Abendessen: 250g. Mozzarella 8,5% und 500g. Tomaten mit Olivenöl

In Kalorien heißt das für den heutigen Tag:

Gegessen habe ich laut FDDB heute insgesamt 1.533 Kalorien, die sich wie folgt aufgeteilt haben:

Kohlenhydrate: 66 g
Fett: 84 g
Eiweiß: 121 g

Als Sport standen heute 45 schweißtreibende Minuten Cross-Trainer auf dem Programm.

In diesem Sinne lächele ich dir entgegen und wünsche dir eine gute Zeit.

Deine Betti