Wenn persönliche Erkenntnisse schneller sind als der Trend…
Immer wieder, wenn ich erzähle, dass ich mich kohlenhydratreduziert – also Low Carb – ernähre, kommt der Einwurf: Ja klar, ist totaler Trend und ein unbedingtes Muss, wenn man im Ernährungsbrummsummsel erfolgreich mitsuppen will. Dabei wird dann ganz gerne überhört, dass ich zu einer Zeit auf den Low-Carb-Zug aufgesprungen bin, als der noch längst kein flächendeckender Trend war und meine Entscheidung, Kohlenhydrate zu reduzieren, nicht einem Hype geschuldet war.
Nein, ich hatte damals mehrere schwerwiegende gesundheitliche Probleme, habe mich über meine Optionen informiert, habe mein Hirn angeworfen, habe meine logischen Schlüsse aus meinen Erkenntnissen gezogen und bin voll in die Umsetzung gegangen, um mir selbst zu helfen. Langfristig dabei zu bleiben und meinen Happy-Carb-Blog zu schreiben, kam dann erst später und irgendwie flutschte ich rein, in den großen Low-Carb-Hype.
Werfe ich nun einen Blick auf die aktuellen Trends, so wiederholt sich das gerade mit dem Thema Keto, also der strengen Low-Carb-Ernährung, mit dem Ziel der Ketose. Denn auch da bin ich schon seit mehreren Jahren immer wieder phasenweise dabei, und seit 1-2 Jahren geht das Thema Keto durch die Decke und findet immer mehr Fans.
Meine alljährliche Keto-Phase habe ich gerade hinter mir. Die einen Fasten, nachdem die Faschingskostüme eingemottet sind, und bei mir stand 6-Wochen-Keto auf dem Plan. Mir ist dabei aufgefallen, dass mir der Übergang in die feste Ketose mit jeder Keto-Kur leichter fällt und hatte ich früher nach mehreren Wochen immer ein Gefühl der Unruhe und mein Schlaf wurde allmählich schlechter, haben sich diese beiden Seiteneffekte verflüchtigt und es ging mir in diesem Jahr einfach rundum gut in meiner Keto-Phase.
Heute will ich dir aber nicht wieder die Keto-Welt von A-Z erzählen, denn vor knapp 2 Jahren hatte ich einen wirklich großen Beitrag zum Thema, in den du dich gerne nochmal reinlesen kannst. Hier geht es zu: Die Keto-Revolution! Ketogene Ernährung für alle?.
Was es in der Keto-Welt Neues gibt!
Eine ganze Menge neuer Keto-Bücher, über die es sich zu berichten lohnt. Ich bin selbst die Fachfrau für leckere kohlenhydratarme Küche, bin also vornedran, wenn der Teller gefüllt wird, aber wenn es um den wissenschaftlichen Blick und das Stoffwechsel-Fach-Know-how geht, da muss ich selber spicken und fleißig lernen, was ich aber für mein Leben gerne tue. Und wo kann ich mehr oder besser lernen, als bei der lieben Marina Lommel, alias Foodpunk, die aktuell gleich mit 2 neuen Keto-Büchern den Buchmarkt aufmischt. Daher freue ich mich, dass Marina erneut bei mir zu Gast ist und meine neugierigen Fragen beantwortet.
Zeit für einen kleinen Foodpunk-Talk zum Thema Keto.
Betti: Liebe Marina, ich danke dir, dass du mich in meinem Blog besuchst und dein neues Buch „Schlank mit Keto. Der 21-Tage-Kickstart nach dem Low-Carb-Prinzip„ mitgebracht hast. Dein neues Werk ist ein wunderbares großformatiges Buch geworden mit schönen Bildern und toller Gestaltung. Ich bin selbst Autorin und begeisterte Bücherkäuferin und weiß die gute Arbeit zu schätzen. Und der Inhalt enttäuscht ebenfalls nicht. Der Theorieteil in deinem Buch ist genau so umfangreich, wie er sein muss, um zu verstehen, wie Keto funktioniert und worauf es ankommt. Alles gut verständlich und spannend geschrieben, so kommt auch bei den Stoffwechselinformationen nie das Gefühl von Kauderwelsch auf. Und dann kommen da noch etwa 100 Buchseiten gefüllt mit Rezepten, die alle superköstlich klingen und wovon sicher in den nächsten Wochen noch einige von mir nachgekocht werden.
Besonders toll finde ich übrigens an deinem neuen Buch, dass du eine ganze Reihe von echten Erfolgsgeschichten präsentierst, also von Menschen, die durch die ketogene Ernährung ganz unterschiedliche positive Veränderungen erfahren haben. Sicher auch nochmal eine tolle Bestätigung für die eigene Arbeit und das, was du da mit Foodpunk auf die Beine gestellt hast.
Und jetzt lass uns über dich selber sprechen, denn ich war schon überrascht, dass du als Ernährungswissenschaftlerin auch schon mal mit dem Essen auf dem Teller und den Auswirkungen für Körper und Kopf gekämpft hast. Du berichtest in deinem neuen Buch sehr offen von ausgezehrtem Schlanksein und präsentierst Fotos, wo du eine sehr hübsche, aber auch gut gefütterte junge Frau warst. Und ich dachte immer, Ernährungswissenschaftler bekommen ordentlich eingehämmert was „richtig“ auf dem Teller ist und machen selbst stets alles perfekt? Wie kam es dazu, dass du trotz Studium der Ernährungswissenschaften zwischendurch das gesunde Körpergefühl verloren hast und wie hast du selbst die für dich passende Kurve bekommen?
Marina: In den letzten 6 Jahren habe ich sowohl einmal 47 kg als auch 72 kg gewogen. Jetzt wiege ich 57 kg, das was ich auch zuvor schon immer gewogen habe. Wie kam es zu den Ausschlägen nach unten und oben? Ich habe Sport geliebt, habe Gemüse geliebt und mich gerne gesund ernährt. Weiter habe ich nicht darauf geachtet. Unterbewusst habe ich viel zu wenig Fett und viel zu wenig Energie zu mir genommen. Ich war in Freising an der Uni, habe mittags in der Mensa gegessen. Auf Nudelpampe hatte ich keine Lust. Aber mit dem Griff zu Gemüsegerichten, Fleisch und Fisch habe ich unbewusst einfach viel zu wenig Kalorien zu mir genommen. Damals hätte ich nie gedacht, dass ich zum Beispiel so viel Fett essen muss, nur um meinen Energiebedarf zu decken. Oder eben Kohlenhydrate, aber wie gesagt, auf Nudelpampe hatte ich keine Lust. Dazu kam dann eine kleine Herzschmerz-Phase. Du kennst das sicher, da vergeht einem plötzlich der Appetit. Man bekommt keinen Bissen mehr runter. Das hatte ich auch, allerdings nicht eine Woche, sondern 6 Monate. Im Nachhinein vermute ich, dass ich mir damals eine Magenschleimhautentzündung eingefangen habe. Das hatte ich letztes Jahr und ich habe sofort dieses appetitlose Gefühl wiedererkannt.
Naja, wenn man wahnsinnig gerne Sport treibt, aber keinen Hunger hat… und wenn man dann auch noch – sofern man mal Appetit und Hunger hat – viel Fisch, Fleisch und Gemüse isst… dann geht da Gewicht schnell runter. Bei mir in 2 Monaten von knapp 60 kg auf unter 50 kg. Fisch, Fleisch und Gemüse ist toll! Aber es macht eben auch relativ schnell satt. Ich hätte damals einfach viel mehr Energiedichte benötigt.
Ich war keinesfalls einem falschen Schönheitsideal verfallen. Ich sah meinen ausgemergelten Körper und fand das absolut nicht schön. Stell dir vor, du willst eine Hose kaufen, und selbst die kleinste Größe (32) hängt wie ein nasser Sack an dir runter und du brauchst einen Gürtel, damit sie nicht beim Gehen in den Kniekehlen landet. Ich fand das nicht schön, aber ohne echten Hunger macht Essen halt auch keinen Spaß. Also bin ich tatsächlich selber mal zur Ernährungsberatung gegangen. Ich wollte wissen, wie ich gesund zunehmen kann. Die Antwort? „Sie müssen sich auch mal was Gönnen, essen Sie jeden Tag ab sofort eine Süßigkeit“. Du kannst dir denken, dass mir die Antwort nicht gefallen hat. Himmelherrgott, ich hab keinen Knoten im Hirn, der mir verbietet, Süßigkeiten zu essen. Ich mag das Zeug einfach nicht. Gibt es denn keine sinnvolle Lösung?
Bevor ich eine gefunden habe, hat sich mein Körper gemeldet. Da kam der Hunger zurück. Ich habe wie ein Staubsauger alles in mich aufgesogen und ich war ganz begeistert davon, zuzunehmen. Die wiederentfachte Energie, weggeblasene Müdigkeit, das war super. Zack, schoß ich „über das Ziel hinaus“ und nahm in 6 Monaten von 47 auf 72 kg zu. Auch ok, an meinem Selbstwertgefühl kratzt das nicht. Der Heißhunger war allerdings nervig. Mit Low-Carb-High-Fat habe ich den dann wieder in den Griff bekommen und mit einer deutlich erhöhten Fettmenge von heute auf morgen den Heißhunger besiegt. Seitdem habe ich gemütlich wieder auf mein Ausgangsgewicht abgenommen.
Mich selbst haben diese Schwankungen nicht so stark interessiert, aber es ist ganz spannend zu sehen, wie die Umwelt darauf reagiert.
Betti: Dein neues Buch heißt ja ganz praktisch und knackig „Schlank mit Keto„. Warum ist aus deiner Sicht gerade die ketogene Ernährung so gut geeignet um Gewicht zu verlieren?
Marina: Viele Menschen haben ein Problem mit Heißhunger oder Zuckersucht. Keto beruhigt den Körper und den Kopf. Es nimmt in kürzester Zeit diese innere Panik. Die innere Panik und Angst des Körpers, dass er zu kurz kommt, ist der Auslöser von Heißhunger. Sie kann durch mehrere Faktoren entstehen: Untergewicht, zu geringe Energieaufnahme, Mikronährstoffmangel, Mangel an wichtigen Fettsäuren, körperlicher oder psychischer Stress und besonders auch durch Insulinschwankungen. Durch die geringe Kohlenhydratmenge dämpft die Keto-Ernährung die Insulinschwankung. Sie ist auch besser als eine „landläufige“ Low-Carb-Ernährung, bei der oft zu wenig Fett aufgenommen wird. Den Heißhunger und die Zuckersucht zu besiegen ist der erste Schritt für eine langfristige und entspannte Abnahme. Wenn man das einmal geschafft hat, schmeckt die Keto-Ernährung zudem richtig gut.
Betti: Ich selbst ernähre mich den Großteil des Jahres moderat Low Carb, aber nutzte die Kraft der Keto-Adaption im Rahmen einer Kur, von der ich dann über viele Monate profitiere. Verschwundene Fressgelüste, fehlender Heißhunger, Energiegeladenheit, auch ohne vollen Bauch, besseres Sättigungsgefühl, höhere Leistungsfähigkeit, geringe Gewichtsschwankungen etc. Kann man diese gefühlten Vorteile irgendwie stoffwechseltechnisch begründen oder rede ich mir das nur ein, weil ich das jetzt so will und weil ich dazu ein kleiner Dickkopf bin?
Marina: Das kann man definitiv biochemisch erklären. Eine 30-tägige ketogene Phase trainiert die Freisetzung von Fett aus unserem Speichergewebe. Es werden mehr Enzyme gebildet, die wir dazu benötigen. Statt auf Heißhunger zu schalten kann der Körper nun auf seine körpereigenen Reserven zurückgreifen. Er lernt, dass er sein Essen immer dabei hat. Ein Teil der freigesetzten Fettsäuren wird in Ketonkörper umgewandelt und steht dem Gehirn als Energiequelle zur Verfügung. Das macht wach und nebenbei dämpfen diese Ketonkörper den Hunger. Im Rahmen der sogenannten Ketoadaption lernt der Körper immer besser, diese Ketonkörper zu bilden, und das Gehirn lernt, sie zu verwenden.
Die Ketoadaption und der trainierte Stoffwechsel bleiben dir auch nach der ketogenen Phase erhalten. Wenn man sich dann mit Kohlenhydraten zuschütten würde, würde der Körper das zwar irgendwann wieder verlernen, aber es bleibt eine Weile so. Wenn du dich danach nicht mit Kohlenhydraten zuschüttest, sondern moderat Low Carb isst, dann hält dieses Training sehr lange an.
Betti: Wir hatten ja bei deinem letzten Besuch hier schon sehr viele Themen vertieft und ich will mich nicht wiederholen. Aber lass uns ein Thema anschneiden, wo ich immer wieder auf Verunsicherung treffe. Nämlich die Cholesterinwerte. Bei mir ist es immer gleich. Wenn ich Keto mache, steigen die Cholesterinwerte etwas an. Dabei steigt das gute HDL überproportional, weshalb ich eigentlich relativ gelassen bleibe. Ich bewerte das Verhältnis von LDL:HDL und freue mich, wenn der bei 3-3,5 liegt in Kombination mit niedrigen Triglyceridwerten. Komischerweise schauen aber die Ärzte nicht so wirklich auf dieses Verhältnis, sondern bewerten eher die Einzelwerte, was immer wieder zu Diskussionen von Keto-Liebhabern und deren Hausärzten führen. Wie beurteilst du das Thema Cholesterin im Rahmen einer ketogenen Ernährung und was sind deine Tipps im Umgang mit Hausärzten, die gerne gleich Statine rufen?
Marina: Das sehe ich genau wie du. Es kommt auf das Verhältnis an. Außerdem kommt es beim LDL auf die Dichte der Partikel an. Es gibt sehr kompakte und sehr fluffige LDL-Partikel, nicht alle sind gleich „böse“. Der Hausarzt sollte sich also die Ratio und die Partikelgröße ansehen.
Leider kann der Hausarzt auch nur das besten Gewissens weitergeben, was er in der Uni gelernt hat. Da kommt man meist über die „Normwerte“ nicht hinaus. Am Ende meint der Hausarzt es gut, ihm fehlt aber vielleicht das detaillierte Wissen über Cholesterin – wenn es über Normwerte hinausgeht. Man munkelt überdies, dass die Normwerte einen großen Fan haben: Die Pharmakonzerne. Je niedriger der Normwert, desto früher gibt es einen Grund Statine zu verschreiben. Diese können zwar den Cholesterinspiegel senken, aber das hat nicht unbedingt einen Einfluss auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit. Sagen wir so: Es senkt die Zahl auf dem Papier, aber der Mensch wird dadurch nicht gesünder.
Hier hätten wir noch etwas Hintergrundinfo für den Hausarzt ? https://foodpunk.de/alles-ueber-cholesterin/
Betti: Du bist als eine von 4 Autorinnen (Ulrike Gonder, Julia Tulipan, Marina Lommel und Brigitte Karner) am Keto-Kompass beteiligt, der vor nicht allzulanger Zeit erschienen ist. Ich habe den Keto-Kompass auch schon hier und muss sagen, dass das Buch wirklich eine wahre Keto-Bibel ist und das Standardwerk für alle, die sich sehr tiefgehend mit der ketogenen Ernährung, Ketone und Ketose beschäftigen wollen. Keine leichte Kost, aber unglaublich informativ und umfassend. Toll ist auch, dass gleich 4 Fachfrauen hinter dem Buch stecken und ihr geballtes Wissen hineingepackt haben. Konntest du selbst eigentlich auch noch etwas lernen von deinen Kolleginnen und seht ihr euch jetzt für den deutschsprachigen Raum als die Fabulous-Keto-Four? Wie wäre es mit einer Keto-Bühnenshow? Talent ist doch auch dafür vorhanden und die Zeit reif, gesunde Ernährung anders unter die Leute zu bringen.
Marina: Man lernt nie aus, auch für mich war noch viel neues Wissen dabei. Besonders dann, wenn z.B. Ulrike Gonder Experten zum Interview geladen hat, die wirklich an der vordersten Front der aktuellen Wissenschaft stehen, wird es auch für mich sehr spannend.
Ich habe mir die Fabulous-Four mal angesehen. Ich glaube nicht, dass ich uns dazu zählen kann. Wir haben nicht so schöne Frisuren ? Aber mit dem richtigen Topfschnitt kann ich mir definitiv auch eine Bühnenshow vorstellen. Mit ihren Science-Slams ist Ulrike ohnehin schon eine großartige One-Woman-Show! (Hier geht es zum wirklich supertollen Nutrition-Slam von Ulrike Gonder)
Betti: Ich bedanke mich, dass du dir die Zeit für meine Fragen genommen hast liebe Marina. Du hast es in den letzten Jahren geschafft aus eigener Kraft ein erfolgreiches und aufstrebendes Unternehmen aufzubauen und wirst dafür zurecht mit Preisen überhäuft. Allergrößten Respekt dafür von meiner Seite, für den Mut, und die Power, alles so zu schaffen. Ich vermute fast, der Superpowerzustand Keto hat ebenfalls einen nicht unerheblichen Anteil daran. Schön, dass durch dich immer mehr Leute, was die eigenen Ernährung angeht, mutiger werden und es so immer mehr Foodpunks gibt.
Daaaaaanke!
Cool, so viele Infos und so viele tolle neue Bücher zum Thema Keto. Es ist mir ehrlich immer wieder eine Freude, Marina hier zu Gast zu haben und ich hoffe, du teilst diese Freude ebenfalls.
Wenn du nun noch auf der Suche bist nach leckeren Keto-Rezepten, dann schau auch nochmal nach meinem neuen Keto-Kochbuch, denn die Theorie will natürlich lecker unterfüttert werden.
Happy-Keto-Grüße, Betti
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