Typ 1 und Typ 2 – Bettis Diabetes-Einmaleins

Typ 1 und  Typ 2 – Bettis Diabetes-Einmaleins

Eins plus Eins ergibt beim Diabetes nicht Zwei.

Passend zum Weltdiabetestag 2018 – und dem 5-jährigen Jubiläum meiner Diabetes-Diagnose – wird es Zeit mal wieder die Tasten richtig glühen zu lassen und dem Thema Diabetes mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Komm einfach mit, wir werden den Diabetes-Typen heute gemeinsam etwas näher kommen.

Diabetes ist nicht gleich Diabetes, nur ganz oft, ist das vielen Menschen, selbst betroffenen Personen, nicht klar. Dabei sind die Unterschiede innerhalb der Diabetes-Familie sehr gravierend. Denn auch wenn die Symptome gleich sind, also der Glukosegehalt im Blut entgleist, mit vielfältigen krankhaften Reaktionen, sind die Ursachen und auch der Umgang mit der Krankheit, sehr wohl zu unterscheiden.

Es gibt also nicht einfach „Diabetes“! Ohne die Ergänzung des Typen, ist die Krankheitsinformation immer unvollständig und lädt zu Missverständnissen ein.

Wieso, weshalb, warum, warum … wer nicht fragt, bleibt dumm!

Es wird Zeit, einige Fragen zum Thema Diabetes zu stellen und auch zu beantworten. Ich will das in erster Linie für die beiden bekanntesten Formen tun, also für Typ 1 und Typ 2. Wohlwissend, dass es noch weitere Formen gibt.

Regelmäßig begleiten meine Rezepte zum Beispiel schwangere Frauen durch die Zeit der freudigen Erwartung, die an Schwangerschaftsdiabetes erkrankt sind. Bei dieser Form der Diabetes, die auch Gestationsdiabetes genannt wird, entwickelt sich während der Schwangerschaft eine Glukosetoleranzstörung mit erhöhten Blutzuckerwerten. Immerhin 4,5% der Frauen erkranken während der Schwangerschaft an Diabetes. Das birgt Risiken für das Kind, denn häufig steigt das Geburtsgewicht und dazu neigen Kinder, deren Mütter an Schwangerschaftsdiabetes litten, später häufiger an Übergewicht und Typ-2-Diabetes.

Zwar verschwindet die Stoffwechselstörung in der Regel nach der Geburt des Kindes wieder, doch viele Frauen entwickeln im späteren Leben Typ-2-Diabetes. Ursache für die Entwicklung des Diabetes in der Schwangerschaft sind natürlich die Hormone, die vor allen in der zweiten Schwangerschaftshälfte ausgeschüttet werden. Die wirken als Gegenspieler zum Insulin und behindert damit den Abbau des Zuckers ist Blut. Die Schwangere braucht mehr Insulin als sonst und das klappt nicht bei jeder Schwangeren ohne Probleme.

Da war doch auch noch Typ-3-Diabetes?

Daneben gibt es auch noch seltenere Formen von Diabetes. Die haben andere Ursachen als Typ 1 und Typ 2 oder der Schwangerschaftsdiabetes. Diese Diabetes Erkrankungen können verursacht sein durch Virusinfektionen, genetische Defekte, aufgrund von Medikamenten, Alkoholmissbrauch oder auch eine chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Diese seltenen Formen werden auch unter dem Namen Typ-3-Diabetes zusammengefasst. Gemein mit den anderen Formen sind auch hier am Ende die Symptome, denn immer ist ein zu hoher Blutzuckerspiegel das Ergebnis und damit die Gefahr, dass der Körper geschädigt wird und damit schwere Folgeerkrankungen entwickelt.

Jetzt aber volle Aufmerksamkeit für Typ 1 und Typ 2.

Wie wäre es mit ein paar Zahlen?

Was es Typ 1 dazu zu sagen gibt:
In Deutschland sind etwa 0,4 % der Bevölkerung an Typ-1-Diabetes erkrankt. In Zahlen sind das etwa 300.000 Menschen. Davon erkrankt etwa die Hälfte schon als Kind, bedeutet, dass etwa 10.000 bis 15.000 Kinder im Alter von 0-14 Jahren betroffen sind. Du kannst dir vorstellen, dass so eine Diagnose den Lebensalltag kompletter Familien auf den Kopf stellt, denn Typ-1 Diabetes fordert jeden Tag mehrfach die volle Aufmerksamkeit, und das dann mit den Wünschen und Bedürfnissen eines Kindes zu verbinden, ist sicher nicht leicht.

Übrigens steigen die Typ-1-Diabetesfälle, insbesondere bei Kleinkindern, seit Jahren kontinuierlich an. Jedes Jahr werden es um 3-5 % mehr.

Was es Typ 2 dazu zu sagen gibt:
Ist Typ 1 eine eher seltene Erkrankung, ist Typ-2-Diabetes ein Massenphänomen. Das klingt jetzt vielleicht wuchtig, aber mit aktuell 7,2% erkrankten Menschen in der Bevölkerung muss ich das so drastisch ausdrücken. Über 6 Millionen Menschen in Deutschland sind insgesamt Diabetiker und davon stellen 90% der Mannschaft das Team mit Typ 2. Von den Typ-2-Diabetikern weiß dazu ein nicht unerheblicher Teil nicht mal, dass er bereits mit dem Blutzucker kämpft. Man geht von etwa 1,3 Millionen nicht erkannter Diabetiker aus. Du kennst also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Menschen, der Diabetes hat und aktuell nicht entsprechend behandelt wird.

Wie entsteht die Krankheit Diabetes und wo finden sich Risikofaktoren?

Was es Typ 1 dazu zu sagen gibt:
Beim Typ-1-Diabetes haben wir es mit einer Autoimmunerkrankung zu tun. Die kann in jedem Lebensalter auftreten, hat ihren Erkrankungsgipfel jedoch in der Pubertät im Alter von 10-15 Jahren. Es gibt neben dem jugendlichen Typ-1-Diabetes auch noch spät auftretenden Typ-1-Diabetes, welcher unter dem Begriff LADA beschrieben wird. Die Patienten sind dann meist schon älter als 35 und bekommen häufig erst die Diagnose-Typ-2.

Autoimmunerkrankungen sind total fies, denn schließlich ist das kein Angriff von außen, sondern der Feind sitzt im eigenen Körper. Ausweichen und Vermeidungstaktiken fallen da erst mal weg. Beim Typ-1-Diabetes werden die insulin-produzierenden Beta-Zellen in den Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse vom körpereigenen Immunsystem angegriffen und zerstört.

So richtig geklärt ist bisher nicht, warum der Körper die eigenen lebenswichtigen Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse abmurkst. Als gesichert ansehen kann man, dass Erbfaktoren in enger Verbindung zur Entwicklung der Krankheit stehen. Wobei viele Menschen mit der entsprechenden genetischen Veranlagung keinen Diabetes entwickeln, wofür spricht, dass es in vielen Fällen einen weiteren Baustein geben muss, der zum Ausbruch der Krankheit führt. Denken wir an Umwelteinflüsse, wie z.B. die Nahrung oder Virusinfektionen (Masern, Grippe und Co) und auch die Zusammensetzung der Darmflora soll Einfluss auf die Entwicklung der Erkrankung haben, denn das Ökosystem in unserem Darm bildet eine Barriere gegen krankmachende Keime, allergieauslösende Nahrungsbestandteile und auch Giftstoffen, denen wir in unserem Leben ausgesetzt sind.

Interessanterweise lässt sich ein deutliches Nord-Süd-Gefälle feststellen. Finnland hat anteilig gesehen weltweit die meisten Typ-1-Diabetiker, und je südlicher man kommt, desto kleiner ist der Anteil der erkrankten Menschen. Dieses Phänomen hat mich direkt auf einen Zusammenhang mit der Vitamin D Versorgung geworfen, denn unser Sonnenhormon wird natürlich im Norden weniger gebildet als im Süden. Spannend fand ich auch die Information, dass laut einer Studie, Kinder, die bereits vor dem dritten Lebensmonat glutenhaltiges Getreide erhalten, ein höheres Risiko für Autoimmunangriffe auf die Beta-Zellen haben. Kinder mit Diabetes-Risikogenen erkrankten mit einer frühen Glutenfütterung deutlich öfter. Unser Immunsystem bildet sich in den ersten Lebensjahren im Darm und das Klebeeiweiß Gluten ist ja bekanntermaßen kein gern gesehener Besucher, wenn es um einen gesunden Darm geht.

Viele Vermutungen, aber am Ende gibt es eben nicht den einen auslösenden Faktor für Typ-1-Diabetes!

Es ist halt ein Kreuz. Unser individuelles genetisches Päckchen enthält höchstwahrscheinlich für jeden Menschen einige, schöne oder auch manchmal weniger erfreuliche, Überraschungen. Das ist bei mir so, und bei dir sicher auch. Wir können einfach Glück haben, aber vielleicht müssen wir uns zusätzlich aktiv darum bemühen, eher ungünstige Grundeinstellungen auszugleichen. Eine Garantie ist das zwar noch nicht, aber wenn denn eine genetische Vorbelastung auf belastende Umwelteinflüsse trifft, dann führt das mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch der Krankheit und da, sind dann Typ 1 und Typ 2 wieder näher beieinander als zuerst gedacht.

Was es Typ 2 dazu zu sagen gibt:
Typ-2-Diabetes tritt meist erst im Erwachsenenalter auf. Daher auch umgangssprachlich als „Alterszucker“ bekannt. Wobei das Durchschnittsalter der Erkrankung stetig sinkt. Ich selbst war „nur“ 44 Jahre alt bei meiner Diagnose und da klingt Alterszucker wirklich etwas unschön.

Wie du gerade gelesen hast, funktioniert beim Typ 1 Diabetes die Insulinproduktion früher oder später komplett nicht mehr (absoluter Insulinmangel), im Gegensatz ist Typ-2-Diabetes eine Kombination aus einer Störung der Insulinfreisetzung (relativer Insulinmangel) und einer Insulinresistenz. Die Insulinresistenz ist meist schon sehr viel früher da, lange bevor die Störung des Kohlenhydrathaushaltes im Blutzucker messbar wird. Insulinresistenz bedeutet, dass die Körperzellen immer schlechter auf Insulin ansprechen. Das Insulin ist der Schlüssel, mit dem die Körperzellen geöffnet werden, die dann die Glukose aus dem Blut aufnehmen. Klappt das nicht ausreichend, fängt die Bauchspeicheldrüse an und gleicht das mit der Produktion von mehr Insulin aus. Das klappt eine ganze Weile ganz gut und man merkt nicht, was sich da im Körper abspielt. Aber irgendwann gehen Teile der Betazellen unter der Belastung in die Knie und stellen die Produktion von Insulin ein. Die Betazellen sind dann zwar nicht zerstört, wie das bei  der Autoimmunkrankheit Typ 1 der Fall ist, aber ich sage immer gerne, dass sich ein Teil meiner Beta-Zellen in einem Insulin-Überlastungskoma befinden und die Arbeit bis auf Weiteres eingestellt haben. Übrigens ist die Insulinresistenz auch wieder so ein Mechanismus, der sich in unseren Genen versteckt, aber wie bei Typ 1, entwickelt nicht jeder genetisch vorbelastete Mensch zwangsläufig die Krankheit.

Da braucht es meist noch weitere auslösende Faktoren.

Denn, wenn zu der individuellen genetischen Veranlagung, weitere Risikofaktoren, wie vor allen Dingen Übergewicht, ungesunde Ernährung, Stress, Rauchen und auch Alkohol, kommen, mündet das früher oder später mit hoher Wahrscheinlichkeit im Typ-2 Diabetes. Gerade beim Übergewicht will ich darauf hinweisen, dass eine verfettete Leber – diskutiert wird auch eine verfettete Bauchspeicheldrüse -, wie auch das häufig üppig vorhandene viszerale Bauchfett, das Diabetesrisiko signifikant erhöhen, von manchen Diabetes-Forschern sogar als ursächlich angesehen werden.

Am Ende ist es, denke ich, wie so oft, ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, jedoch zu viel Körpergewicht, oder auch verfettete Organe – die gibt es nämlich auch bei schlanken Menschen/Diabetikern -, spielen eine große Rolle bei der Entwicklung von Typ-2-Diabetes.

An dem Zeitpunkt, an dem dann die Diagnose Diabetes mit einem Langzeitwert außerhalb der Norm gestellt wird, kann man wohl davon ausgehen, dass mindestens 50% der Betazellen in Dauerstreik getreten sind. Diabetes-Typ-2 entwickelt sich über viele Jahre mit einem prädiabetischen Zustand und entwickelt wegen des langsamen Verlaufs nicht direkt spürbare Symptome. Ein Insulinüberschuss um die Insulinresistenz wettzumachen, wird nämlich nicht wahrgenommen und auch erhöhte Blutzuckerwerte tun lange Zeit nicht weh. Häufig wird Diabetes als Zufallsbefund festgestellt und dann zu einem Zeitpunkt, wo die hohen Zuckerwerte bereits Schäden im Körper angerichtet haben.

Was sind die Folgen der Diabetes-Erkrankung, wie die Diagnose gestellt und wie wird behandelt?

Was es Typ 1 dazu zu sagen gibt:
Beim Typ-1-Diabetes kommt es früher oder später zu einer völligen Zerstörung der insulinbildenden Zellen. Der Supergau für das Blutzuckermanagement unseres Körpers und unbehandelt eine tödliche Erkrankung. Der Prozess der Zerstörung der Beta-Zellen passiert jedoch nicht über Nacht. Zwischen Beginn der Erkrankung und dem Auftreten von Symptomen können Wochen, Monate oder gar Jahre vergehen. Es gibt dann Zeiten, da verschwinden Symptome zwischendurch aufgrund von Remissionsphasen. Tatsächlich schreitet die Krankheit aber fort, bis schließlich alle Beta-Zellen zerstört sind und kein Insulin mehr produziert werden kann. Wenn etwa 80% der Beta-Zellen zerstört sind, dann werden die typischen körperlichen Anzeichen sichtbar in Form von Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, schlechte Wundheilung, quälendem Durst und in Form von häufigem Wasserlassen. Ein Signal, dass der Körper den hohen Zucker nicht mehr abbauen kann und versucht über viel Flüssigkeit und die Nieren sich der Glukose im Blut zu entledigen. Das ist häufig auch der Zeitpunkt, an dem meistens die Diabetes-Diagnose vom Arzt gestellt wird.

Der Körper signalisiert SOS!

Die Unterscheidung zwischen Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes erfolgt mittels eines Bluttests, bei dem Antikörper nachgewiesen werden. Im Gegensatz zu Typ-2-Diabetikern tragen Typ-1-Patienten nämlich zu nahezu 100% Insel-Autoantikörper in sich. Diese Insel-Autoantikörper lassen sich übrigens nicht erst im Blut finden, wenn die Blutzuckerwerte aus dem Ruder gelaufen sind, also bereits ein Großteil der Beta-Zellen zerstört sind, sondern sind häufig schon Jahre vor dem Ausbruch der Krankheit nachweisbar.

Es besteht beim Typ1-Diabetiker von Anfang an ein echter Insulinmangel und bei fortgeschrittener Erkrankung, ist das völlige Fehlen von körpereigenen Insulin kennzeichnend. Die Zerstörung der Betazellen ist vollständig und nicht reversibel. Als Typ-1-Diabetiker steht man irgendwann, was die Insulinausschüttung angeht, also komplett nackig da. Folglich bleibt bei der Behandlung auch nur die sofortige Behandlung mit Insulin, um den gesundheitsgefährdenden Blutzuckerpegel wirksam zu behandeln.

Die Entdeckung des Insulins durch Frederick Banting und Charles Best war daher 1921 ein Meilenstein in der Behandlung von Typ-1-Diabetes-Patienten. 1923 konnte das Hormon erstmals industriell hergestellt werden. Die Rettung für viele Diabetiker, die bis zum heutigen Tag ihr Leben den beiden Herren verdanken. Belohnt wurde Frederick Banting für die herausragende Entdeckung mit dem Nobelpreis für Medizin im Jahr 1923.

Aber das nur am Rande, falls du mal bei Günter Jauch sitzt und gefragt wird, für was im Jahr 1923 der Nobelpreis für Medizin verliehen wurde. Wenn du die Millionen gewinnst, freue ich mich über einen netten Blumenstrauß.

Die Folgen der Diabetes-Erkrankung, wenn die Werte nicht gut eingestellt sind, decken sich mit den gesundheitlichen Folgen bei schlecht eingestellten Typ-2-Diabetikern. Dem Körper ist es egal, weshalb die Blutzuckerwerte zu hoch sind und reagiert immer gleich verschnupft. Hier eine Auswahl des Grauens, was sowohl Typ 1 als auch Typ-2-Diabetiker von sich fernhalten wollen.

  • Unterzuckerungen (Hypoglykämie)
  • Überzuckerungen (Hyperglykämische Stoffwechselentgleisung)
  • Ketoazidotisches Koma (betrifft vor allem Typ-1-Diabetiker mit absolutem Insulinmangel)
  • Durchblutungsstörungen an den großen und kleinen Gefäßen (Schlaganfall und Herzinfarktrisko steigt, Erektionsstörungen drohen)
  • Diabetische Gefäßveränderungen an der Netzhaut (Retinopathie), bis hin zur Erblindung
  • Diabetische Niereninsuffizienz (viele Dialyse-Patienten sind Diabetiker)
  • Neuropathie an den Händen und Füßen (diabetischer Fuß bis hin zur Amputation)
  • Magen-Darm-Probleme

Beide Diabetes-Typen sind heute gut behandelbar, und trotzdem gelingt es nicht in allen Fällen, Folgeerkrankungen zu verhindern. Jeder Diabetiker weiß, dass es manchmal verhext ist mit dem Blutzucker und es gelingt nicht zu jedem Zeitpunkt perfekt, den Blutzuckerspiegel im Zaum zu halten. Trotz aller zur Verfügung stehenden medikamentösen Mittel, erleiden immer noch 50% der Diabetes-Patienten chronische Folgeerkrankungen.

Was es Typ 2 dazu zu sagen gibt:
Die Symptome des entgleisten Blutzuckerstoffwechsels decken sich mit denen von Typ 1 und auch die Folgeerkrankungen sind identisch. Aber wo bei Typ 1 direkt der Ersatz des Insulins im Vordergrund steht, gibt es bei den Typ-2-Diabetikern mehr Möglichkeiten, um die Krankheit besser in den Griff zu bekommen, denn an verschlimmernden Faktoren kann gearbeitet werden und die Insulinresistenz kann deutlich verbessert werden.

Die Diagnose erfolgt durch die Feststellung des Langzeitwertes HbA1c. Menschen ohne Diabetes haben normalerweise einen HbA1c-Wert zwischen 4 und 6 Prozent, ein entgleister Stoffwechsel, liegt wesentlich höher und kann auch durchaus zweistellig werden.

Als zweites Diagnoseinstrument greift der orale Glukosetoleranztest (oGTT), bei dem der Blutzucker nüchtern gemessen wird und dann dem Patienten 75 g Glukose verabreicht wird. 2 Stunden nach dem Trinken der zuckrigen Lösung sollte der Blutzucker nicht oberhalb von 200 mg/dl liegen, denn so ein hoher Wert macht die Diabetes-Diagnose amtlich. Zwischen zwischen 140 mg/dl und 199 mg/dl nach 2 Stunden spricht man übrigens von einer gestörten Glukosetoleranz oder Prädiabetes.

Nach einer festgestellten Diabetes-Diagnose erfolgt eine Therapie nach Leitlinie. In der Regel übernimmt das der Hausarzt. Es gibt standardisierte Ernährungsempfehlungen, die kaum von denen für gesunde Menschen abweichen und es gibt natürlich eine ganze Latte an Medikamenten und Insulinen, die helfen den Blutzucker in einem gesunden Rahmen zu halten. Ein Teil der Medikamente setzt da auch nicht direkt am fehlenden Insulin an, sondern verbessern über Stoffwechselmechanismen den Blutzuckerwert, wie zum Beispiel das Metformin, mit dem wahrscheinlich fast jeder Typ-2-Diabetiker die Diabetes-Medikamentenlaufbahn beginnt. Je nachdem, wie fest der Karren schon im Diabetes-Dreck steckt, steht auch erst mal der Versuch an, über die Umstellung der Ernährung, deutlicher Gewichtsverlust und mehr Bewegung die Blutzuckerwerte zu verbessern. Häufig gibt es eine Galgenfrist von 3 Monaten und wenn dann die Werte immer noch nicht passen, wird der Blutzucker mit medikamentöser Unterstützung gesenkt.

Ist Heilung möglich und was bewirkt ein veränderter Lebensstil?

Was es Typ 1 dazu zu sagen gibt:
Diabetes-Typ-1 ist nicht heilbar. Da gibt es auch keine Diskussion, denn die Beta-Zellen sind unwiederbringlich zerstört. Es gibt einige Ansätze, während der Zerstörungsprozess läuft, diesen mit Medikamenten zu unterbrechen. Es ist wohl aber nicht ganz so einfach ein Medikament zu entwickeln, was die Inselzellantikörperproduktion unterbricht, aber das restliche Immunsystem jedoch nicht beeinträchtigt. Auch wird geforscht an einer Antikörper-Behandlung, wo es durchaus erfolgversprechende Ansätze gibt, zumindest einen zeitlichen Aufschub zu erwirken, sofern noch nicht alle Beta-Zellen vernichtet sind.

Denken wir also bei Typ 1 an Heilung, dann müssen wir in Richtung künstliche Bauchspeicheldrüse oder eher realistisch gedacht, in Sachen Bauchspeicheldrüsen- und Inselzelltransplantation nachdenken. Bei Transplantationen besteht da natürlich immer die Problematik, dass zu wenige passende Organe zur Verfügung stehen. Nach einer Bauchspeicheldrüsentransplantation benötigen immerhin mehr als drei Viertel der Typ-1-Diabetiker innerhalb der nächsten 5 bis maximal 20 Jahren kein zusätzliches Insulin mehr.

Ein anderer Ansatz bietet die Stammzellenforschung. Die Forschung arbeitet dazu an Techniken zur Herstellung von insulin-produzierenden Betazellen. Erste ermutigende Tierversuche gibt es dazu, bis jedoch Menschen davon profitieren können, ist doch viel Forschungsarbeit notwendig.

Bis dahin ist und bleibt die Versorgung mit Insulin bei Typ-1-Diabetes unersetzbar. Eine gesündere Lebensweise mit weniger Kohlenhydraten verbessert aber auch hier das Blutzuckermanagement und führt zu weniger Blutzuckerspitzen, wie auch zu weniger Unterzuckerungen und damit zu einem geringeren Risiko an den gefürchteten Folgeerkrankungen zu leiden.

Was es Typ 2 dazu zu sagen gibt:
Diabetes-Typ-2 ist nicht heilbar. So zumindest meine persönliche Meinung und das schreibt hier eine, die seit etwa 4 Jahren keine blutzuckersenkenden Tabletten mehr nimmt, ja nicht mal mehr den Blutzucker täglich misst. Nur noch den Langzeitwert prüfen, ansonsten ist meine Diabetes-Erkrankung verschwunden, so wie ein Gespenst, was sich in Luft aufgelöst hat.

Ja, ich habe eine Remission erreicht. Remission bedeutet in der Medizin, das vorübergehende oder dauerhafte Nachlassen von Krankheitssymptomen, ohne Erreichung der Genesung, erzielt wurde. Heilung wird in der Medizin als die Wiederherstellung der Gesundheit unter Erreichung des Ausgangszustandes durch den Körper definiert. Würde im Falle von Diabetes-Typ-2 für mich bedeuten, dass die schlummernden Betazellen wieder alle in vollem Umfang Insulin produzieren und alles ist, wie es früher mal war. Das sehe ich, Stand heute, als nicht erreicht an. Daher sind alle vielversprechenden Studien und Erfolgsmeldungen noch keine echte Heilung, und machen den Diabetikern oft große Hoffnungen, um dann doch zu enttäuschen.

Heilungsversprechen verkauft Bücher, da bin ich als Autorin eines Diabetes-Buches jedoch eher kritisch unterwegs und will nichts versprechen, was ich nicht halten kann.

Es gibt ermutigende Impulse, wo stark übergewichtige Diabetiker, sehr schnell nach dem operativen Einsetzen eines Magenbandes auf Insulin verzichten konnten. Das schon bevor überhaupt Gewicht abgebaut war. Schon länger weiß man, dass Fasten positive Wirkungen auf die Stoffwechselstörung Diabetes hat. Eigentlich nichts Neues, denn Fasten wirkt der Insulinresistenz entgegen und das gleich an mehreren Stellen. Fasten reduziert ungünstiges Leberfett, verbessert den Energiestoffwechsel der Muskulatur und erhöht die Energieeffizienz der Mitochondrien, die sowieso schon im Verdacht stehen, der Zellübeltäter der Insulinresistenz und des Betazellverlustes zu sein.

Diabtes ist heilbar, ist zu verführerisch, um wahr zu sein!

Ja, weniger Gewicht, weniger Fett im Körper und da insbesondere in der Leber und der Bauchspeicheldrüse, bewirken – wie erste Studien zeigen – spannende Effekte. Ob Magenband, Fasten, Shake-Kuren und Co. Wie nachhaltig das alles wirklich ist und welche Diabetiker profitieren und welche nicht, wird noch genau erforscht werden müssen.

In einer neueren Veröffentlichung, einer britischen Studie, wurde gezeigt, dass ein strenges Ernährungsprogramm mit kräftigem Gewichtsverlust, Betazellen wieder zu neuem Schwung verhelfen können, wenn die Diabetes-Erkrankung noch nicht lange bestanden hat. Scheinbar durchlaufen die Betazellen am Anfang der Erkrankung einen Prozess, dass selbst, wenn schon kein Insulin mehr produziert wird, der D-Day – also der Diabetes-Akku auf nicht aufladbar umschaltet, erst etwas später kommt. Bei der Studie machte da schon ein Jahr längerer Krankheitsverlauf einen gravierenden Unterschied. Wenn wir jetzt bedenken, dass Diabetes häufig erst Jahre später zufällig festgestellt wird, dann ist diese Phase des Zurückschiebens sicher häufig schon verpasst. Zu viele Wenns und Abers in meinen Augen, um da das große Wort der Heilung in die Diabetes-Welt zu blasen.

Daher nochmal an alle da in der Welt:

Nutzt die Vorsorgemöglichkeiten und lasst den Blutzucker alle 2 Jahre beim Gesundheitscheck testen. Früh erkannt, macht bei Diabetes einen großen Unterschied aus, was die Effektivität der Eigenmaßnahmen und was die unerkannt entstehenden Folgeerkrankungen angeht.

Bleiben wir in der für uns nahen Realität und schauen auf das, was jeder einzelne Typ-2-Diabetiker für sich und seine Krankheit selbst tun kann. Das ist nämlich viel mehr, als auf Heilung zu hoffen. Gesund abnehmen, den Verzehr der Kohlenhydrate am Leistungsvermögen der Bauchspeicheldrüse anpassen und mehr Bewegung und Entspannung ins Leben lassen. Das geht alles unkompliziert, dabei sogar mit Spaß und Genuss.

Und hey, Remission, also Symptomfreiheit als echte und mit eigener Energie umsetzbare Chance, ist doch nicht schlecht für den Anfang. Findest du nicht?

Puuuh, viele spannende Informationen und ich bin noch nicht am Ende.

Nachdem ich dir immer von meinem Diabetesleben als Typ 2 berichte, habe ich mir heute netten Besuch eingeladen und will mal einige Informationen aus erster Hand von einer Typ-1-Diabetikerin.

Happy Carb proudly presents, Antje Thiel, vom Blog „Süß, happy und fit“.

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Hallo liebe Antje, schön, dass du heute bei mir zu Besuch bist in dem Beitrag, wo es um Typ 1 und um Typ 2 Diabetes geht. Danke, dass du heute mein Typ 1 Gegenstück bist.

Betti: Sehr häufig wird Typ 1 Diabetes in jungen Jahren festgestellt. Aber es gibt auch die „alten“ Typ-1-Diabetiker, bei denen die Krankheit erst im Erwachsenenalter entsteht. Wie alt warst du bei der Entdeckung deiner Erkrankung und wie hast du gemerkt, dass du ganz schön süß bist? Wie weit war deine Diabetes-Erkrankung schon fortgeschritten, also dir dein Doc die Info übermittelt hat?

Antje: Hey Bettina, vielen Dank, dass ich bei dir zu Gast sein und ein bisschen über mein Leben mit Typ-1-Diabetes erzählen darf! Bei mir wurde der Typ-1-Diabetes kurz nach meinem 40. Geburtstag festgestellt. Ich weiß auch das genaue Datum noch: Am 30. März 2010 habe ich erfahren, dass ich süßer als normal bin und dass sich mein Leben damit von Grund auf ändern wird. Insofern zähle ich also zu den Spätzündern bei Typ-1-Diabetes, von denen es aber mehr gibt, als man oft denkt. Zum Glück wurde mein Diabetes sehr frühzeitig entdeckt, bevor sich überhaupt Symptome eingestellt hatten. Ich hatte beim Roten Kreuz wie gewohnt Blut gespendet, und dort hatte man als kleinen Service für die Spender außer der Reihe auch mal den Blutzucker bestimmt. Und dann flatterte mir ein Computerschrieb ins Haus, in dem es hieß: „Ihr Blutzuckerwert liegt bei 380 mg/dl und damit zu hoch. Bitte konsultieren Sie Ihren Hausarzt.“ Ich konnte das nicht so recht glauben, da ich keinerlei Diabetes-Symptome hatte – ich hatte nicht drastisch abgenommen, hatte keinen Riesendurst, musste nicht pausenlos aufs Klo. Nur eine hartnäckige Erkältung, wegen der ich ohnehin mal zum Arzt gehen wollte, damit er mir etwas Verschreibungspflichtiges gegen den Husten verschreibt. Ich dachte mir, dass der Arzt bei der Gelegenheit gleich mal den Blutzucker bestimmen und mir sagen kann, dass das beim Roten Kreuz eine Fehlmessung war. Tja, war es dann aber leider nicht. Beim Hausarzt angekommen, berichtete ich zuallererst über meinen blöden Husten und nur am Rande über das seltsame Schreiben vom Roten Kreuz. Der Doc fragte nach Diabetes in meiner Familie, nach meinen Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten, stellte mich auf die Waage und konnte keine Indizien für einen Typ-2-Diabetes entdecken. Und für einen Typ-1-Diabetes wäre ich ja offensichtlich eigentlich zu alt. „Na, dann war das sicherlich ein Messfehler“, meinte auch er. Leider zeigte auch das Messgerät in der Arztpraxis 378 mg/dl an – und mein Hausarzt wurde ganz blass um die Nase. Über den Husten wollte er nicht mehr mit mir sprechen, ich sollte erst zum Diabetologen gehen. Mir war der Ernst der Lage überhaupt nicht bewusst, denn ich sagte nur: „Okay, dann mache ich im Laufe der Woche mal einen Termin bei einem Diabetologen.“ Er schüttelte den Kopf: „Nein, ICH mache Ihnen einen Termin, und zwar jetzt gleich, und dann gehen Sie ohne Umschweife direkt dorthin. Vermutlich haben Sie Typ-1-Diabetes.“ Im Nachhinein weiß ich, dass ich großes Glück hatte, dass dieser Arzt die Lage gleich richtig eingeschätzt hat. Denn viele Typ-1-Diabetiker, die in etwas fortgeschrittenerem Alter diagnostiziert werden, landen erstmal automatisch in der Schublade Typ-2-Diabetes und werden mit Metformin behandelt. Das geht dann natürlich nicht lange gut. Weil ich gleich zum Diabetologen geschickt wurde nun dieser auch sofort einen Antikörpertest machte, hatte ich zum Glück schnell Klarheit und habe vom ersten Tag an das Insulin bekommen, das mein Körper blöderweise nicht mehr selbst produzieren man.

Betti: Spannenderweise warst du schon vor deiner Diagnose als Journalistin im medizinischen Umfeld tätig und hast über Diabetes und die Welt drumherum geschrieben. Hast du irgendwann mal gedacht, dass es sich bei deiner Erkrankung um eine selbsterfüllende Prophezeiung handeln könnte? Mir käme sowas Irrationales bestimmt in den Sinn.

Antje: Also eine kosmische Verschwörung habe ich nicht gewittert. Tatsächlich war mein allererster Gedanke bei der Diagnose: „Moment mal, ich SCHREIBE über solche Sachen, ich HABE sowas doch nicht!“ Es war mir aber eine große Hilfe, dass ich mich schon vor meiner Diagnose intensiv mit Diabetesthemen beschäftigt hatte. Ich wusste, in welchen Bereichen sich der Blutzucker in einem gesunden Stoffwechsel bewegt und ab wann es kritisch wird. Mir war klar, wie wichtig es ist, ein Diabetestagebuch zu führen – und ich wusste auch, welche Lebensmittel den Blutzucker beeinflussen und wie sich Bewegung auswirkt, zumindest theoretisch. Deshalb ist mir die erste Phase, in der ich mich an mein Leben mit Diabetes gewöhnen musste, bestimmt deutlich leichter gefallen als den meisten anderen, die gerade die Diagnose Typ-1-Diabetes bekommen. Auch jetzt habe ich als Journalistin und Bloggerin Zugang zu Informationen aus erster Hand, dafür bin ich sehr dankbar!

Betti: Hast du in der Familie weitere Typ-1-Diabetiker oder kannst du bei dir irgendeinen anderen auslösenden Faktor ausmachen?

Antje: In meiner Familie gibt es keine weiteren Diabetiker, weder Typ-1 noch Typ-2, ich bin also nicht erblich vorbelastet. Natürlich habe ich mich gefragt, wie es zu dieser bescheuerten Fehlsteuerung in meinem Immunsystem kommen konnte. Bislang ist der Entstehungsmechanismus von Typ-1-Diabetes ja nicht eindeutig geklärt. Es gibt nur mehr oder minder belegbare Vermutungen. Typ-1-Diabetes könnte eine Reaktion auf ein psychisches Trauma sein. Das kann ich schon mal ausschließen – ich war im März 2010 gerade ein Jahr mit meinem Freund (und heute Ehemann) Christoph zusammen und nach elf mehr oder weniger unfreiwilligen Single-Jahren glücklich und verliebt. Dann gibt es da die Theorie, dass Menschen eher zu Typ-1-Diabetes neigen, wenn sie als Säuglinge nicht gestillt wurden. Okay, meine Mutter hat mich nicht gestillt. Aber soll ich etwa als gestandene Frau von 40 Jahren da ein Fass aufmachen und meine Mutter mit solchen Theorien nerven? Zumal der Zusammenhang nicht zweifelsfrei belegt ist. Ich habe also sicher eine ganze Weile gegrübelt, warum gerade mir dieser Mist passieren muss. Dann habe ich mir aber irgendwann gesagt: „Es ist jetzt eben so, fertig.“

Betti: Wie sieht dein medizinischer Alltag, also dein Diabetesmanagement heute konkret aus und was glaubst du, wo die Reise hingeht? Ich bin ja selbst insulinfreie Diabetikerin und lese immer von Pumpen, Apps, Gerätschaften und Co. Du bist ja dicht an der Forschung und den Pharmaunternehmen dran und bekommst zeitig mit, wenn es Neuigkeiten gibt, die das Diabetikerleben einfacher machen.

Antje: Bei Typ-1-Diabetes führt kein Weg am Insulin vorbei, weil mein Immunsystem nun einmal beschlossen hat, die insulinproduzierenden Betazellen in meiner Bauchspeicheldrüse zu zerstören. Ich spritze also Insulin. Tagsüber zu den Mahlzeiten ein schnellwirksames Bolusinsulin, je nachdem, wie viele Kohlenhydrate mein Essen enthält. Und abends ein langwirksames Basalinsulin. Zu einer Insulinpumpe konnte ich mich bislang nicht durchringen. Ich habe einfach keine Lust, rund um die Uhr einen Apparat direkt am Körper zu tragen. Allerdings gelingt es mir auch ohne Pumpe ziemlich gut, meine Glukosewerte in Schach zu halten. Wenn das nicht so wäre, würde ich mich natürlich mit der Option Insulinpumpe auseinandersetzen. Für viele Typ-1-Diabetiker ist eine Pumpe die einzige Möglichkeit, ihre Glukoseschwankungen in den Griff zu bekommen, zum Beispiel wenn sie im Tagesverlauf einen sehr unterschiedlichen Bedarf an Basalinsulin haben. Da ist mein Diabetes – toi toi toi – zum Glück sehr handzahm, sodass ich mit den ganz einfachen Insulinpens prima klarkomme. Der einzige technische Schnickschnack, den man an meinem Körper findet, ist ein Sensor, der kontinuierlich meine Glukosewerte misst. Wenn ich mit dem Smartphone oder dem Lesegerät scanne den Sensor scanne, sehe ich Verlaufskurven, die viel aussagekräftiger sind als einzelne punktuelle Blutzuckermessungen. Der Wechsel von der Blutzuckermessung zur kontinuierlichen Glukosemessung mit dem Sensor war für mich ein echter Sprung nach vorn, mit vielen Aha-Erlebnissen. Da lernt man seinen Stoffwechsel noch einmal ganz neu kennen.

Betti: Als Typ-1-er Diabetikerin hast du nicht die gleichen Möglichkeiten, durch Ernährungsumstellung und mehr Bewegung zu punkten, wie das ein insulinresistenter Typ 2 Diabetiker kann. Trotzdem kenne und verfolge ich dich als sehr bewusst lebenden Menschen, mit viel Sport im Leben und auch einer häufig sehr gesunden, manchmal auch low carbigen Ausgestaltung des Speiseplans. Warum machst du das, was bringt dir das, gerade im Hinblick auf deine Erkrankung?

Antje: Also ich finde schon, dass ich mit einer Ernährungsumstellung und mehr Bewegung bei Typ-1-Diabetes punkten kann. Zwar nicht so, dass ich irgendwann einmal darauf verzichten kann, mir von außen Insulin zuzuführen. Aber eine vernünftige Ernährung und viel Bewegung erleichtern das Diabetesmanagement auch bei Typ-1-Diabetes enorm! Vielen Typ-1-Diabetikern geht allerdings reflexartig die Hutschnur hoch, wenn sie die beiden Wörter „Essen“ und „dürfen“ auch nur zusammen in einem Satz sehen. Weil solche Sätze häufig von Menschen kommen, die keine Ahnung von Typ-1-Diabetes haben, unsere Form der Stoffwechselstörung munter mit Typ-2-Diabetes in einen Topf werfen und ihr geballtes Halbwissen dann gern mit erhobenem Zeigefinger kundtun: „Das darfst du aber gar nicht essen, da ist doch Zucker drin!“

Solche Sprüche können einem echt auf die Nerven gehen. Ich mag mir von niemandem vorschreiben lassen, was ich essen und wovon ich die Finger lassen soll. Mein Diabetes hat mich schließlich nicht heimgesucht, weil ich zu viel genascht oder sonst irgendetwas in meiner Ernährung falsch gemacht habe. Und glücklicherweise gibt es Insulin, mit dem man heutzutage sogar ziemlich fein hantieren kann, damit der Körper Glukose ordentlich verstoffwechselt. Ganz anders als in den Tagen, als Typ-1-Diabetiker keine andere Wahl hatten als einem starren Spritz- und Essplan zu folgen: Zum Beispiel morgens um Punkt acht Frühstück mit genau 40 Gramm Kohlenhydraten – ob man nun großen oder kleinen oder gar keinen Hunger hat. Vormittags ein Snack mit 10 Gramm Kohlenhydraten, damit der Blutzucker nicht absackt. Mittags, zwischendurch am Nachmittag und abends ebenfalls genau vorgeschriebene Rationen. Was für ein Horror! Es ist wirklich ein Segen, dass wir Typ-1-Diabetiker heute mit modernen Insulinen, mit ICT und Pumpentherapie sowie mit neuen Messmethoden die Freiheit haben, uns ganz normal zu ernähren. Wir können essen, was und wie viel wir wollen und auch wann wir wollen. Und wenn wir keinen Hunger haben, dann essen wir auch mal nix. Wie alle anderen auch.

Allerdings ernähren sich „alle anderen“ im Durchschnitt nicht unbedingt vorteilhaft. Zu viele industriell verarbeitete Lebensmittel, zu viel Zucker, zu viele Kohlenhydrate, zu wenig Gemüse, zu wenig Frisches… man muss sich nur umsehen um die Konsequenzen zu studieren: Übergewicht, Herz-Kreislauferkrankungen, Typ-2-Diabetes – jede Menge „Lifestyle-Erkrankungen“, wohin man auch blickt. Nee, das sind nun wahrlich keine Vorbilder für mich. Und machen wir uns nichts vor: Auch unter uns Typ-1-Diabetikern gibt es viele, die mehr als nur ein paar Kilo zu viel auf den Rippen mit sich herumschleppen. Und wenn ein Typ-1-Diabetiker für seine Mahlzeiten aberwitzige Mengen Insulin spritzen muss, dann hat er vermutlich eine Insulinresistenz, die längst als Typ-2-Diabetes eingestuft worden wäre, wenn er denn nicht zuvor die Diagnose Typ-1-Diabetes erhalten hätte.

Ich sehe an meinen Glukoseverläufen (und auch an meinem Insulinbedarf!), dass es mir sehr gut bekommt, wenn ich bei den Kohlenhydraten spare. Deshalb experimentiere ich sehr gern mit Low Carb-Rezepten. Aus deinen Büchern und Blogbeiträgen habe ich dabei übrigens auch schon eine Menge toller Anregungen bekommen. Allerdings kann ich Zucker nicht so konsequent abschwören, wie du es tust: Wenn ich eine Unterzuckerung habe, dann sind schnellwirksame Kohlenhydrate (also die in der Low Carb Ernährung am meisten verteufelte Sorte) für mich lebensrettend. Ich habe immer einen Vorrat schnellwirksamer Kohlenhydrate bei mir, Traubenzucker, Gummibärchen, und horte auch die kleinen Kaffeekekse in der Handtasche, die im Café immer mit auf der Untertasse liegen – man weiß ja nie, wann die nächste Hypo kommt. Mein Verhältnis zu Zucker ist deshalb auch ein sehr emotionales: Wer einmal erlebt hat, wie schneller Zucker bei einer Unterzuckerung hilft, dass sich die Körperpanik wieder legt und die Knie aufhören zu zittern, der kann Zucker nie komplett verteufeln.

Betti: Glaubst du, dass Diabetes jemals wirklich vollständig heilbar sein wird?

Anjte: Das ist tatsächlich etwas zwiespältig. Einerseits verfolge ich natürlich auf wissenschaftlichen Kongressen genau, was es für Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet gibt. Und da gibt es eine ganze Menge! Ich denke schon, dass es in Zukunft möglich sein wird, Typ-1-Diabetikern aus Stammzellen gezüchtete insulinproduzierende Betazellen zu implantieren und sie vor Angriffen des Immunsystems zu schützen, damit sie Insulin ausschütten wie ein gesunder Stoffwechsel. Allerdings muss man sich auch keine Illusionen machen: So eine Therapie wäre ungeheuer kostspielig, die gäbe es sicherlich nicht für jeden Typ-1-Diabetiker. Leute wie ich, die mit einem Sensor und Insulinpens gut klarkommen, sind auf lange Sicht bestimmt keine Kandidaten für eine Stammzelltherapie. Bei Typ-2-Diabetes und Adipositas wird viel daran geforscht, welche Gene zum Beispiel dafür verantwortlich sind, dass bei manchen Leuten das Sättigungsgefühl so spät einsetzt, dass sie nicht so einfach mit dem Essen aufhören können wie andere Leute. Oder wie es zu den entzündlichen Prozessen kommt, die das „schlechte“ Bauchfett auslösen kann. Ich bin sicher, dass man in Zukunft aus diesen ganzen Erkenntnissen Ansätze für neue Medikamente entwickeln kann, die vielen Betroffenen helfen werden. Andererseits denke ich, dass wir als Diabetiker – sowohl Typ-1 als auch Typ-2 – nicht ausschließlich auf Wissenschaft und Forschung schielen sollten. Zum einen, weil solche Entwicklungen ungeheuer lang dauern – wir können ganz sicher nicht in 5 Jahren in die Apotheke gehen und sagen „Diabetes? Da gibt’s doch was von XXPharm!“. Und zum anderen, weil ich davon überzeugt bin, dass der Schlüssel zu einem guten Leben mit Diabetes erst einmal darin liegt, dass man seine Erkrankung akzeptiert, sich mit ihr arrangiert und sie in sein Leben integriert. Leider gehen manche Leute dubiosen Heilungsversprechen auf den Leim, weil sie ihren Diabetes eben im Grunde ihres Herzens nicht wahrhaben wollen.

Betti: Gab es schon mal Momente, wo dir deine Diabetes-Erkrankung richtig Angst gemacht hat? Also vielleicht eine Unterzuckerung, die richtig brenzlig war oder bist du je irgendwie unverschuldet außerhalb die Reichweite des lebensnotwendigen Insulins geraten. Inwieweit hast du für Notsituationen dein persönliches Umfeld (Mann, Kind und wer noch so da ist) instruiert?

Antje: Momente der Angst gibt es immer wieder mal. Ich hatte zwar zum Glück noch nie eine gefährliche Unterzuckerung, in der ich mir nicht mehr selbst helfen konnte. Mein Mann hat bei gemeinsamen Unternehmungen meist ebenfalls Traubenzucker oder andere schnelle Kohlenhydrate bei sich. Außerdem weiß er ziemlich gut Bescheid über meinen Diabetes – er könnte im Notfall sicher gut einschätzen, ob er mir selbst helfen kann oder besser einen Notarzt rufen sollte. Das traue ich auch den anderen Menschen in meinem Umfeld zu.

Was vorkommt, sind halt kleine Missgeschicke, etwa mein Diabetestäschchen mit Messgerät und den Insulinpens zu Hause zu vergessen. Vor einer Weile zum Beispiel war ich bei einer Veranstaltung in Hamburg, 30 km von meinem Zuhause in Elmshorn entfernt. In der Pause stellte ich fest, dass ich mein Täschchen nicht dabei hatte, also weder meinen Zucker messen, noch bei Bedarf Insulin spritzen konnte. Das war ein sehr mulmiges Gefühl, als wenn ich blind durch die Gegend laufe. Ich musste grob überschlagen, wie hoch mein zuletzt gemessener Zuckerwert zu Hause war, wie viel ich mich seither bewegt hatte und wo mein Zuckerwert gefühlt wohl in etwa liegen müsste. Vor der Autofahrt zurück überlegte ich noch, ob ich meinen Mann anrufen und ihn bitten sollte, mir mein Täschchen zu bringen. Schließlich muss ich vor jeder Fahrt eigentlich meinen Zucker messen. Doch ich wusste, dass Christoph auf einem Seminar irgendwo außerhalb war, außerdem war im Radio von 20km Stau auf den Autobahnen um Hamburg die Rede, das wäre einfach enorm viel Aufwand und Belastung für ihn gewesen – und ich hätte so lange in Hamburg bei strömendem Regen in meinem Auto gehockt. Ich überschlug also wieder grob meine Zuckerbilanz, futterte vorsorglich ein kleines Snickers (rein medizinische Prävention! ) und quälte mich dann durch den Stau nach Hause, ohne meinen Zucker gemessen zu haben. Hätte ich bei der Fahrt einen Unfall verursacht, wäre ich möglicherweise aber in ziemliche Schwierigkeiten geraten. So etwas gibt einem doch zu denken.

Betti: Wenn es einen Diabeteswunsch gibt, jenseits der Heilung, dann hau ihn jetzt mal raus. Falls eine gute Fee bei mir vorbeischneit, dann gebe ich den Wunsch direkt für dich weiter.

Antje: Wie lang darf meine Wunschliste werden? Nee im Ernst: Ich wünsche mir erstmal was ganz Simples: Nämlich, dass die Lebensmittelindustrie bei den Nährwertangaben auf den Verpackungen nicht nur die Angaben pro 100 Gramm liefert, damit man bei der Berechnung der Insulindosis nicht immer einen so komplizierten Dreisatz rechnen muss. Denn es kann im Alltag aktuell leider ziemlich lange dauern, bis man ausgetüftelt hat, wie viel Gramm Kohlenhydrate zum Beispiel in einer Minischeibe Pumpernickel enthalten sind, wenn in der Packung 252 Gramm bzw. 28 Scheiben Mini-Pumpernickel sind, die pro 100 Gramm 37,4 Gramm Kohlenhydrate haben. Das ginge deutlich einfacher, wenn auf der Packung (zusätzlich zum Kohlenhydratgehalt pro 100 Gramm) stünde: 1 Scheibe Mini-Pumpernickel, 1 Keks, 1 Gummitier etc. hat XX Gramm Kohlenhydrate. Soweit mein ganz praktischer Wunsch.

Wichtiger sind eigentlich aber andere Sachen. So wünsche ich mir, dass mehr Menschen begreifen, wie wichtig ein gesunder Lebensstil ist. Also gute Ernährung, viel Bewegung etc. Und dass es keine Qual oder Strafe ist, gesund zu leben, sondern im Gegenteil Spaß und Genuss. Dann gäbe es sicher viel weniger Menschen, die sich mit Typ-2-Diabetes herumschlagen müssten – und auch weniger Typ-1-Diabetiker, die nur mit großer Mühe irgendwie klarkommen. Gleichzeitig ist es mir ein Herzenswunsch, dass Menschen mit Diabetes nicht permanent das Gefühl vermittelt wird, dass sie selbst schuld sind an ihrer Erkrankung. Denn auch wenn man viele Faktoren mit seinem Lebensstil selbst beeinflussen kann, weiß doch jeder, wie schwierig es ist, jahre- oder sogar jahrzehntelang eingeübte Verhaltensmuster zu verändern. Stigmatisieren und Vorwürfe bringen überhaupt nichts – im Gegenteil! Ich wünsche mir mehr Verständnis – rational und emotional – für Menschen mit Diabetes.


Danke liebe Antje für die geduldige Beantwortung meiner Fragen und für den Einblick, den du uns damit gewährst.

Hui, viel mehr Information kann es doch an einem Weltdiabetestag nicht geben. Ich hoffe, du konntest einige interessante Gedanken zum Thema Diabetes mitnehmen und hast nun einen breiteren Blick auf die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Diabetes-Typen.

Wo wir gerade beim Thema Diabetes sind, will ich dir noch den kostenfreien Newsletter der Deutschen-Diabetes-Hilfe ans Herz legen. Du bekommst da regelmäßig Informationen, was es Neues in der Diabetes-Welt gibt. Es lohnt sich und ich bin auch schon angemeldet: https://www.diabetesde.org/newsletter.

Tausend Dank, dass du dich durch den Mammutbeitrag gekämpft hast. Wissen verteilt sich durch geschriebene Worte und ich bin froh, dass ich so viele lesefleißige und interessierte Leser/innen hier habe.

Liebe Grüße, Betti

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